Nach einer Gesetzesänderung greift für die Vermittlung einer Restschuldversicherung ab dem 1. Juli 2022 ein gesetzlich festgelegter Provisionsdeckel in Höhe von 2,5 Prozent. Was sich so einfach anhört, hat in der Praxis seine Tücken: Zentral ist dabei die Frage, in welchen Fällen es sich überhaupt um eine Restschuldversicherung handelt. Diese und ähnliche Fragen haben die Experten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) der SDV in einem exklusiven Interview beantwortet.
Der Grund für die Einführung des Provisionsdeckels
Im Mai letzten Jahres hat der Deutsche Bundestag das Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz beschlossen. Darin enthalten ist unter anderem in Artikel 19 eine Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG), die eine Provisionsdeckelung für die Vermittlung von Restschuldversicherungen in Höhe von 2,5 Prozent des Darlehensvertrags vorsieht. Diese neue Regelung tritt zum 1. Juli 2022 in Kraft.
Der Grund, warum das Bundesministerium für Finanzen (BMF) bereits 2019 einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Deckelung der Provision von Restschuldversicherungen eingereicht hat, stützt das BMF unter anderem auf BaFin-Untersuchungen.
Konkret heißt es im Gesetzesentwurf: „Bemerkenswert ist, dass die Kreditinstitute häufig mehr als 50 Prozent, in der Spitze sogar bis zu 80 Prozent der vom Darlehensnehmer gezahlten Versicherungsprämie als Provision beziehungsweise Vergütung erhalten. Diese erheblichen Kosten müssen Darlehensnehmer bezahlen, zumeist indem das Darlehen um die Versicherungsprämie erhöht wird und sich die Tilgung und Zinszahlungen nochmals erhöhen. Zur Vermeidung dieser exzessiven Zahlungen soll eine Begrenzung der Provisionen und Vergütungen auch für die Vermittlung von Restschuldversicherungen eingeführt werden.“
Provisionsdeckel bei 2,5 Prozent des abgesicherten Darlehensbetrages
Für die Einführung des Provisionsdeckels wird im VAG unter anderem der § 50a VAG „Entgelt bei der Vermittlung von Restschuldversicherungen“ und in § 7 VAG die Nummer 34c, die eine Definition der Restschuldversicherung enthält, eingefügt.
In § 50a VAG steht unter anderem: „Gewährt ein Versicherungsunternehmen einem Versicherungsvermittler eine Abschlussprovision für den Abschluss einer Restschuldversicherung, darf die gewährte Vergütung 2,5 Prozent des durch die Restschuldversicherung abgesicherten Darlehensbetrages oder sonstigen Geldbetrages nicht übersteigen …“
Der § 7 Nummer 34c VAG definiert, was unter einer Restschuldversicherung zu verstehen ist, für die der Provisionsdeckel gilt. Konkret heißt es hier: „Restschuldversicherung: eine Versicherung, die der Absicherung eines Verbrauchers aus einem Vertrag über einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe oder aus einem Vertrag über ein Teilzahlungsgeschäft oder der Absicherung eines Darlehens- oder Leasingnehmers oder seiner Hinterbliebenen für den Fall des Todes, der Krankheit, der Arbeitslosigkeit, der Arbeitsunfähigkeit oder sonstiger Umstände, die zu einem Leistungsausfall des Verbrauchers oder des Darlehens- oder Leasingnehmers führen können, dient, und bei der die Versicherungsleistung bestimmungsgemäß ganz oder teilweise auf die Erfüllung der Ansprüche aus dem jeweiligen Vertragsverhältnis gerichtet ist.“
Die BaFin erklärt
Um etwas mehr Klarheit über die rechtlichen Regelungen des neu eingeführten Provisionsdeckels zu erhalten, beispielsweise wann eine Risikolebensversicherung als Restschuldversicherung eingestuft wird, hat die SDV entsprechende Fragen an die Experten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das BMF gestellt. Beantwortet wurden diese letztendlich von der BaFin – die BMF hat auf die Antworten der BaFin verwiesen.
SDV: 1. Viele Versicherungskunden schließen im Laufe ihres Lebens eine Risikolebensversicherung, eine kapitalbildende Versicherung und/oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung, beispielsweise zur Einkommensabsicherung für sich selbst und/oder ihre Angehörigen ab. Unter welchen Kriterien gilt eine solche Police gemäß § 7 Nr. 34c VAG als Restschuldversicherung, bei der der Provisionsdeckel (§ 50a VAG) von 2,5 Prozent anzuwenden ist? Trifft die Provisionsdeckelung nur für solche Versicherungsverträge zu, a) die im Kredit- oder Leasingvertrag explizit als Sicherung aufgeführt sind, b) bei denen der Kreditgeber als Bezugsberechtigter im Versicherungsvertrag eingetragen ist oder c) der Versicherungsvertrag an den Kreditgeber abgetreten ist?
BaFin: Die unter a) bis c) aufgeführten Merkmale sind keine Tatbestandsmerkmale einer Restschuldversicherung gemäß § 7 Nr. 34c VAG nF (Anmerkung der SDV: nF steht als Abkürzung für „neue Fassung“), die erfüllt sein müssten, damit der Provisionsdeckel anwendbar wäre. § 7 Nr. 34c VAG nF enthält eine Begriffsdefinition der Restschuldversicherung im Sinne des Provisionsdeckels.
Demnach handelt es sich bei der Restschuldversicherung um „eine Versicherung, die der Absicherung eines Verbrauchers aus einem Vertrag über einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe oder aus einem Vertrag über ein Teilzahlungsgeschäft oder der Absicherung eines Darlehens- oder Leasingnehmers oder seiner Hinterbliebenen für den Fall des Todes, der Krankheit, der Arbeitslosigkeit, der Arbeitsunfähigkeit oder sonstiger Umstände, die zu einem Leistungsausfall des Verbrauchers oder des Darlehens- oder Leasingnehmers führen können, dient, und bei der die Versicherungsleistung bestimmungsgemäß ganz oder teilweise auf die Erfüllung der Ansprüche aus dem jeweiligen Vertragsverhältnis gerichtet ist“.
SDV: 2. Spielt es bei der Einordnung, ob es sich um eine Restschuldversicherung handelt, eine Rolle, ob der Versicherungsvermittler und damit Provisionsberechtigter eine Bank, ein Versicherungsvermittler einer Versicherungsgesellschaft oder ein Versicherungsmakler ist?
BaFin: Nein, bei der Einordnung, ob es sich um eine Restschuldversicherung handelt, spielt dies grundsätzlich keine Rolle.
SDV: 3. Gilt eine Risikolebensversicherung, eine Berufsunfähigkeits- und/oder auch eine kapitalbildende Versicherung, die von einem Versicherungsmakler oder -vermittler vertrieben wird, ebenfalls als Restschuldversicherung beziehungsweise greift hier der Provisionsdeckel, wenn diese zum Beispiel zeitnah zum Abschluss des Kreditvertrages abgeschlossen wurde, auch wenn der Bezugsberechtigte ein anderer ist als der Kreditgeber?
BaFin: Im Hinblick auf die gesetzliche Definition der Restschuldversicherung kommt es nicht darauf an, dass der Bezugsberechtigte der Kreditgeber ist. In den Gesetzesmaterialien heißt es im Übrigen insbesondere (vgl. Bundestags-Drucksache 19/29352: „Unter abgeschlossenen Versicherungen sind alle Versicherungsverträge einschließlich der Verträge über Risikolebensversicherungen zu verstehen, die ihrer Bestimmung gemäß die Absicherung von Ansprüchen aus einem Darlehensvertrag oder Verträgen zur Stundung oder eines sonstigen Zahlungsaufschubs vorsehen, wobei die Versicherung zum Zweck der Absicherung geschlossen wird.
Das ist im Sinne der Begriffsdefinition nicht nur gegeben, wenn im Versicherungsfall (bei einer Risikolebensversicherung) die Ablösung des noch offenen Darlehens- oder sonstigen Geldbetrages oder die Bedienung der laufenden Tilgungs- und Zinszahlung vorgesehen ist. Hiervon ist regelmäßig auch auszugehen, wenn die Versicherung im zeitlichen Zusammenhang mit der Begründung des Darlehensvertrags abgeschlossen wird und es sich bei dem Darlehensgeber zugleich um den Versicherungsvermittler beziehungsweise eine diesem nahestehende Person handelt oder der Darlehensgeber beziehungsweise eine diesem nahestehende Person Versicherungsschutz im Rahmen einer Gruppenversicherung im Sinne des § 7d VVG verschafft.“
Danach bedarf es im Zweifel einer Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls. Eine abstrakte Aussage, losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls, ist im Zweifel nicht möglich.
SDV: 4. Welche Kriterien müssen gegeben sein, damit eine Risikolebensversicherung, eine Berufsunfähigkeits- und/oder auch eine kapitalbildende Versicherung nicht unter den Provisionsdeckel der Restschuldversicherung fällt, auch wenn der Versicherungsnehmer einen Kredit hat?
BaFin: Wesentlich für das Vorliegen einer Restschuldversicherung im Sinne des Provisionsdeckels ist, dass es sich um einen Versicherungsvertrag handelt, der seiner Bestimmung gemäß die Absicherung von Ansprüchen aus den genannten Rechtsverhältnissen vorsieht, wobei die Versicherung zum Zweck der Absicherung geschlossen wird. Fehlt es hieran, fällt eine Versicherung nicht unter den Provisionsdeckel, und zwar auch dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer einen Kredit hat.
SDV: 5. Wer entscheidet letztendlich, inwieweit es sich bei einer Risikolebensversicherung, einer Berufsunfähigkeits- und/oder auch einer kapitalbildenden Versicherung um eine Restschuldversicherung handelt, bei der der Provisionsdeckel anzuwenden ist? Der Kreditgeber (z.B. die Bank), der Versicherungsvermittler/-makler oder die Versicherungsgesellschaft, die den Versicherungsvertrag zeichnet?
BaFin: Die Verantwortung liegt bei den Versicherungsunternehmen als Produkthersteller. Diese haben im Rahmen des Vertriebes den Provisionsdeckel zu beachten.
SDV: 6. Inwieweit betrifft die Gesetzesänderung eine bereits bestehende Kapitallebensversicherung, eine Risikolebensversicherung und/oder Berufsunfähigkeitsversicherungen, wenn diese erst lange Zeit nach Abschluss zur Absicherung eines Bankkredites herangezogen werden?
BaFin: Eine bereits vor der Aufnahme eines Bankkredits bestehende Versicherung dürfte regelmäßig keine Restschuldversicherung darstellen, wenn kein zeitlicher Zusammenhang zur Absicherung des Bankkredits besteht. Es bleibt jedoch dabei, dass es im Zweifel einer Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls bedarf.
SDV: 7. Inwieweit betrifft die Gesetzesänderung bereits bestehende Kredite mit Restschuldversicherungen? Gibt es Übergangsfristen?
BaFin: Die Gesetzesänderung sieht keine Rückwirkung des Provisionsdeckels vor. Vergütungsansprüche für den Vertrieb von Restschuldversicherungen, die vor dem Inkrafttreten am 1. Juli 2022 entstanden sind, sind also nicht erfasst. Es gibt keine Übergangsfristen.
SDV: 8. Wurde die Stornohaftung für eine Restschuldversicherung geändert? Wenn ja, wie?
BaFin: Die Vorgaben zur Stornohaftung galten bislang nur für den Bereich der substitutiven Krankenversicherung und der Lebensversicherung. Mit der Einführung des Provisionsdeckels sind die Vorgaben zur Stornohaftung gemäß § 49 VAG nF auf Restschuldversicherungen ausgedehnt worden.
Anmerkung des SDV: Der § 49 VAG „Stornohaftung“ wird ab 01.07.2022 wie folgt lauten:
(1) Die Versicherungsunternehmen müssen sicherstellen, dass zumindest im Fall der Kündigung eines Vertrags durch den Versicherungsnehmer, wenn es sich nicht um eine Kündigung gemäß § 205 Absatz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes handelt, oder im Fall des Ruhendstellens der Leistungen gemäß § 193 Absatz 6 Satz 4 des Versicherungsvertragsgesetzes oder einer Prämienfreistellung gemäß § 165 Absatz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes in den ersten fünf Jahren nach Vertragsschluss der Versicherungsvermittler die für die Vermittlung eines Vertrags der substitutiven Krankenversicherung, der Lebensversicherung oder der Restschuldversicherung angefallene Provision nur bis zur Höhe des Betrags einbehält, der bei gleichmäßiger Verteilung der Provision über die ersten fünf Jahre seit Vertragsschluss bis zum Zeitpunkt der Beendigung, des Ruhendstellens oder der Prämienfreistellung angefallen wäre. Ist die vereinbarte Prämienzahlungsdauer kürzer als fünf Jahre, so kann diese zugrunde gelegt werden.
(2) Eine entgegenstehende vertragliche Vereinbarung zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Versicherungsvermittler ist unwirksam.
(3) Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 gelten im Fall des § 50a Absatz 2 entsprechend mit der Maßgabe, dass eine vereinbarte Vertragszeit zugrunde zu legen ist.
Fazit
Wie die BaFin-Antworten zeigen, gibt die neue gesetzliche Regelung keine klaren Entscheidungskriterien vor, nach denen sich Versicherungsverträge eindeutig einordnen lassen, ob es sich um Restschuldversicherungen handelt, für die dann auch der Provisionsdeckel gilt, oder nicht. Die BaFin betont wiederholt, dass „es im Zweifel einer Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls bedarf“. Das bedeutet: Im Zweifelsfall werden dies wohl Gerichte klären müssen.
Auch die Aussagen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) auf die Anfrage des SDV zum Thema bekräftigen dieses Fazit: „Das sogenannte Provisionsdeckelgesetz beschäftigt die Versicherer noch stark – vorrangig aufgrund bestehender Unklarheiten in dem Gesetz.“
Der GDV führt weiter aus: „Die konkrete Umsetzung beziehungsweise Anwendung des Gesetzes bedarf in besonderem Ausmaß einer konkreten Prüfung im jeweiligen Einzelfall. Der neue § 7 Nr. 34c VAG enthält künftig eine Definition der Restschuldversicherung. … Die sehr weit gefasste Gesetzesbegründung könnte dahingehend verstanden werden, dass es allein auf die zeitliche und personelle Nähe ankommt. Dies geht so unseres Erachtens jedoch nicht eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut hervor und würde Fragen der Bestimmtheit aufwerfen. Maßgebliches Kriterium bleibt – nach dem Gesetzeswortlaut – der Absicherungszweck, welchen es zu ermitteln gilt. Ein solcher kann fehlen, wenn die Versicherung nicht zweckbestimmt auf die Erfüllung der Darlehensverpflichtungen gerichtet ist, sondern – allgemeiner – der Absicherung des Verbrauchers oder seiner Hinterbliebenen dient.“
Zu allen Fachfragen rund um die Lebensversicherung ist die Fachabteilung LV der SDV AG gerne für Sie erreichbar:
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E-Mail: lv@sdv.ag
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