Künstliche Intelligenz – Fluch oder Segen für Versicherungsvermittler?

Was noch vor ein paar Jahren für die Digitalisierung galt, ist jetzt die Künstliche Intelligenz. Für die Versicherungswirtschaft wird sie alles verändern – von der Risikobewertung bis hin zur Kommunikation. Und wo steht dabei der Versicherungsmakler?

„Künstliche Intelligenz (KI) bezieht sich auf die Entwicklung von Computern und Algorithmen, die in der Lage sind, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern. Dies kann Aufgaben wie maschinelles Lernen, Mustererkennung, Sprachverarbeitung, Entscheidungsfindung und vieles mehr umfassen. KI-Systeme können Daten analysieren, Muster erkennen, Vorhersagen treffen und Aufgaben automatisieren“, sagt jedenfalls ChatGPT auf die Frage, was Künstliche Intelligenz ist.

Was sagt ein Mensch? Philip Specht schreibt mit Bezug auf das Werk von Jerry Kaplan „Artificial Intelligence: What Everyone Needs to Know“ in seinem Buch „Die 50 wichtigsten Themen der Digitalisierung“: „KI steht für Computersysteme, die menschliche Intelligenz nachahmen.“ Diese Definition sei sehr vage und nicht unproblematisch, könne doch bereits ein Taschenrechner Rechenaufgaben viel schneller lösen als ein Mensch. Von KI würde dabei jedoch niemand sprechen.

Was kann KI – und was nicht?

Die wichtigste Anforderung an die KI sei die Fähigkeit, abstrakte Probleme zu lösen, zu lernen sowie mit Unsicherheit und Wahrscheinlichkeiten umzugehen. Viele Programme würden diese Fähigkeiten bereits aufweisen, doch seien sie auf bestimmte Anwendungsgebiete beschränkt. Die aktuell existierende KI sei daher eine „schwache KI (weak Artificial Intelligence)“. Eine starke KI dagegen könne all das leisten, was das menschliche Gehirn zu leisten vermöge. Dazu gehören laut Specht auch Bewusstsein, Umweltempfinden und Gefühle – oder zumindest müsse das glaubhaft simuliert werden können. Ob es jemals dazu komme, darüber seien sich selbst Experten nicht einig.

KI in Deutschland

Die Anwendungsmöglichkeiten von KI sind sehr umfangreich. Forscher, Verbände und Initiativen befassen sich mit KI. Doch viele Experten wandern irgendwann ab. Vor allem in den USA finden sie häufig bessere Bedingungen als hierzulande. Da wundert es nicht, dass sich der Bundesverband Künstliche Intelligenz starkmacht, um in Europa und in Deutschland die Fachkräfte zu halten. Gegenüber dem Spiegel (Ausgabe 36 / 2023) spricht der Chef des KI Bundesverbandes, Daniel Abbou, von einem Desaster. Industrie und Mittelstand stünden bei KI vor großen Herausforderungen, gleichzeitig fehle es in deutschen Firmen am nötigen Bewusstsein für das Thema. KI sei „oft in irgendeine Randabteilung ausgegliedert“. Dabei gehöre sie ins Zentrum. Doch selbst auf politischer Ebene kommt dem Thema nicht die Bedeutung zu, die es haben sollte. So schlossen sich der KI Bundesverband, der Bundesverband Digitale Wirtschaft, Der Mittelstand BVMW, eco – Verband der Internetwirtschaft, der Bundesverband IT- Mittelstand sowie die Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH in einer Initiative zusammen. Ihr Appell richtet sich an die Bundesregierung, KI und Digitalisierung in Deutschland entschieden voranzutreiben, konkrete Idee gleich inklusive.

KI in der Versicherungswelt

Unabhängig davon hat die Versicherungswirtschaft längst das Potenzial der Künstlichen Intelligenz erkannt. Denn hier sind die Unternehmen traditionell immer auf der Suche nach effizienteren Wegen, Risiken zu bewerten, Verträge zu verwalten sowie Kunden zu finden und zu binden, und hierbei eröffnet die Künstliche Intelligenz viele Möglichkeiten. Bei der Risikobewertung etwa können die KI-Algorithmen helfen, große Datenmengen zu analysieren. Sie können viel besser als Menschen Risikoprofile für Versicherungspolicen erstellen. Die Versicherer werden damit genauere Tarife entwickeln und die Underwriting-Prozesse verbessern können. In der Schadensbearbeitung beispielsweise kann die KI eher ungewöhnliche Verhaltensmuster identifizieren, die auf einen Betrug hinweisen können. Und in der Kundenkommunikation kommen bereits heute Assistenten und Chatbots zum Einsatz, die Kundenfragen rund um die Uhr beantworten können. Das steigert die Kundenzufriedenheit und befreit die Mitarbeitenden von Standardaufgaben. Damit gewinnen sie Zeit, um komplexere Anfragen zu bearbeiten und ebenfalls schneller eine Antwort an die Kunden zu versenden. Besonders spannend dürfte dafür das Large Language Model sein, das große Sprachmodell, auf dem etwa ChatGPT basiert. Dieses Modell ist darauf trainiert, menschliche Sprache zu verstehen und auf Fragen wie ein Mensch zu antworten.

SDV AG arbeitet mit KI-Start-up zusammen

Für die Augsburger Servicepartner der Versicherungsmakler SDV AG führt kein Weg an der KI vorbei (siehe auch Interview Seite 10 / 11). „Seit September arbeiten wir mit Muffin zusammen, einem jungen Berliner KI-Unternehmen“, berichtet Armin Christofori, CEO der SDV AG. „Wie viele andere mittelständische Unternehmen sehen auch wir uns zunehmend mit einem Arbeitskräftemangel konfrontiert, und das ist unter anderem ein Punkt, an dem die Künstliche Intelligenz uns immens unterstützen kann“, erklärt Christofori. Muffin agiert als Versicherungsmakler, konzentriert sich aber vor allem darauf, Prozesse in der Beratung und Kommunikation über Künstliche Intelligenz abzuwickeln. „Wir beraten unsere Kunden ausschließlich per WhatsApp“, sagt Simon Moser, Mitgründer des KI-Start-ups Muffin. Selbstverständlich weiß er, dass nicht jeder Berater bei seinen Kunden genauso weit gehen möchte oder kann, und das muss er auch gar nicht. Vielmehr wird es bei Versicherungen immer hybrid zugehen. „Umfragen zeigen immer wieder, dass sich viele Menschen wohler fühlen, wenn sie wissen, sie können einen Profi um Rat fragen“, meint Moser. Plattformen wie Check24 oder auch der digitale Versicherungsmakler Clark seien zu unpersönlich, kämen mit zu vielen Informationen daher. „Denn noch immer gelten Versicherungen als ein wenig spannendes Thema, das gern aufgeschoben wird. Und um es hier schneller und einfacher zu gestalten, arbeiten wir an dem KI-Modell“, berichtet der Gründer mit eigener Erfahrung im Versicherungsvertrieb.

Wo Licht ist …

Doch das Sprichwort „Wo Licht ist, ist auch Schatten“ trifft ebenfalls auf die KI in der Versicherungsbranche zu. Der Schatten in Form von Risiken betrifft zum Beispiel den Datenschutz. Das Sammeln und Analysieren von persönlichen Daten kann Bedenken schüren, ob der Datenschutz wirklich eingehalten wird. Hier muss sichergestellt werden, dass die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung beachtet werden und die Kundendaten geschützt sind. Die KI hat weitere Schwächen. So können Algorithmen unbeabsichtigt Voreingenommenheit aufgrund der Datenbasis aufweisen. Das kann zu Diskriminierung führen und rechtliche sowie ethische Probleme mit sich bringen. Zudem sind die Modelle im Hintergrund sehr komplex. Die Transparenz beim Einsatz von KI sollte daher immer großgeschrieben werden.

 

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