Wenn hierzulande jemand berufsunfähig wird, dann ist in mehr als einem Drittel aller Fälle die Ursache hierfür ein Nervenleiden – und das mit seit Jahren steigender Tendenz. Doch es gibt noch andere Gründe, und die unterscheiden sich je nach Altersgruppe zum Teil deutlich.
Die Hauptursachen einer Berufsunfähigkeit: psychische Leiden
Es gibt eine ganze Reihe an Gründen, warum jemand berufsunfähig wird, also aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft seinen bisher ausgeübten Beruf nur noch sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr ausüben kann. Dies belegt auch eine vor Kurzem veröffentlichte Auswertung der Morgen & Morgen GmbH. Das auf Datenanalysen spezialisierte Unternehmen untersucht jedes Jahr, welche Ursachen bei Personen, die über eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abgesichert sind, dazu geführt haben, dass eine Berufsunfähigkeit eingetreten ist.
Die zuletzt durchgeführte Datenanalyse bezieht sich auf die 50.000 Berufsunfähigkeitsfälle, die 2021 bei den entsprechenden Versicherern gemeldet und anerkannt wurden. Im genannten Berichtsjahr bestanden laut Morgen & Morgen rund 15 Millionen Berufsunfähigkeitspolicen.
Ein Analyseergebnis ist, dass es über alle Altersgruppen hinweg einen Hauptgrund für eine Berufsunfähigkeit gibt: psychische Erkrankungen sowie Nervenkrankheiten. Dazu gehören beispielsweise Burn-out, Angststörungen, Störungen durch Suchtverhalten oder auch Depressionen. Von allen Personen, die im Berichtsjahr berufsunfähig wurden und entsprechende Leistungen von ihrer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bekommen haben, wurde dies in 34,50 Prozent der Fälle durch psychische Leiden verursacht.
Damit trägt dieses Leiden den größten Anteil an allen Ursachen, die zu einer Berufsunfähigkeit führen – und das mit insgesamt seit Jahren steigender Tendenz. „Dieser Trend wird sich sicherlich fortsetzen. Im aktuellen Ratingjahrgang betrachten wir die Geschäftszahlen von 2021. Die psychischen Auswirkungen der Corona-Pandemie werden sich zeitverzögert zeigen und sind hier noch kaum abgebildet“, erklärt in diesem Zusammenhang Andreas Ludwig, Bereichsleiter Rating und Analyse bei Morgen & Morgen.
Weitere Gründe
Im Jahr 2010 lag der Anteil der Nervenerkrankungen als Ursache für eine Berufsunfähigkeit übrigens noch bei weniger als einem Viertel, heute bei mehr als einem Drittel.
Damals waren Krankheiten des Skelett- und Bewegungsapparats noch der häufigste Grund für eine eingetretene Berufsunfähigkeit mit einem Anteil von rund einem Viertel. Heute liegen diese Leiden auf Platz zwei der häufigsten Berufsunfähigkeitsursachen mit 20,10 Prozent; dicht gefolgt von Krebserkrankungen und bösartigen Neubildungen, die für 17,35 Prozent der Fälle verantwortlich sind.
Das bedeutet: Aktuell werden rund doppelt so viele Personen wegen einer Nervenerkrankung berufsunfähig als wegen einer Krebserkrankung. Mit deutlichem Abstand folgen auf Platz vier sonstige Erkrankungen (13,45 Prozent) sowie Unfälle (7,60 Prozent) und Erkrankungen des Herzens und des Gefäßsystems (7,00 Prozent).
Unterschiede zwischen den Altersgruppen
Betrachtet man die unterschiedlichen Altersgruppen, nämlich bis 40 Jahre, 41 bis 50 Jahre und ab 51 Jahre, so zeigen sich zum Teil deutliche Unterschiede darin, was am häufigsten zu einer Berufsunfähigkeit führt. Beispielsweise nimmt der Anteil der Unfälle als Ursache für eine Berufsunfähigkeit mit steigendem Alter ab. In der Altersgruppe bis 40 Jahre liegt der Anteil bei 10,06 Prozent, in der Altersgruppe zwischen 41 und 50 Jahren sind es 7,43 Prozent und bei den ab 51-Jährigen 5,74 Prozent.
Der Anteil von Unfällen als Ursache für eine Berufsunfähigkeit ist also bei den über 51-Jährigen in etwa halb so hoch wie bei den jüngeren Menschen. Dies könnte mit der zunehmenden Erfahrung und dem höheren Risikobewusstsein von älteren Menschen zusammenhängen. Genau die gegenteilige Entwicklung gibt es beim Anteil der Herz- und Kreislauferkrankungen, die zu einer Berufsunfähigkeit führen: Dieser steigt über die drei genannten Altersgruppen hinweg von 4,27 Prozent (bis 40 Jahre) über 6,00 Prozent (41 bis 50 Jahre) auf 9,35 Prozent (ab 51 Jahre). Ihr Anteil verdoppelt sich also im Alter.
Dagegen bleibt laut Datenanalyse der Anteil bei den Erkrankungen des Skeletts, die im Vergleich zu allen anderen Ursachen zu einer Berufsunfähigkeit geführt haben, mit 20,37 Prozent bei den unter 40-Jährigen, mit 19,49 Prozent bei den 41- bis 50-Jährigen und mit 22,00 Prozent bei den über 51-Jährigen über alle Altersgruppen hinweg nahezu gleich. Das gilt auch für sonstige Erkrankungen mit anteilig 13,63 Prozent (41 bis 50 Jahre), 14,41 Prozent (bis 40 Jahre) und 14,65 Prozent (ab 51 Jahre).
Der Anteil der Krebserkrankungen, die eine Berufsunfähigkeit zur Folge hatten, steigt über die Altersgruppen hinweg nur geringfügig, nämlich von 15,86 Prozent bei den unter 40-Jährigen über 17,77 Prozent bei den 41- bis 50-Jährigen auf 17,99 Prozent bei den über 51-Jährigen.
Der Anteil der Nervenerkrankungen als Ursache für eine Berufsunfähigkeit liegt bei den bis 40-Jährigen und bei den 41- bis 50-Jährigen jeweils über 35 Prozent (35,03 Prozent und 35,68 Prozent) und fällt dann bei den ab 51-Jährigen auf 30,27 Prozent. In allen Altersgruppen belegt dieses Leiden den unrühmlichen ersten Platz der Gründe für eine Berufsunfähigkeit.
Exkurs: Was bedeutet eigentlich „berufsunfähig“ oder „erwerbsgemindert“?
Eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ist deshalb so wichtig, da die gesetzliche Absicherung, beispielsweise durch die gesetzliche Rentenversicherung (GRV), nicht ausreicht, um die Einkommenseinbußen, die man aufgrund einer Berufsunfähigkeit erleidet, auszugleichen.
Vor mehr als 20 Jahren, genauer gesagt im Jahr 2001, hat der damalige Gesetzgeber die gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente der GRV abgeschafft. Das bedeutet: Personen, die nach dem 1. Januar 1961 geboren wurden, bekommen nun keine derartige Rente mehr, wenn sie aufgrund eines gesundheitlichen Leidens ihren erlernten oder zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben können oder dort nur noch eingeschränkt einsatzfähig sind. Wichtig in diesem Zusammenhang: Es geht um den erlernten oder zuletzt ausgeübten Beruf.
Nur wer ganz oder zum großen Teil erwerbsgemindert ist, also aufgrund eines gesundheitlichen Leidens keiner oder höchstens bis zu sechs Stunden täglich irgendeiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann, hat unter Umständen noch Anspruch auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Der bisher ausgeübte oder erlernte Beruf spielt dabei keine Rolle – auch wenn man in seinem bisherigen Beruf deutlich mehr verdient hat als in dem Job, dem man trotz der gesundheitlichen Einschränkungen noch nachgehen kann.
Auch eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente reicht nicht
Um eine gesetzliche Erwerbsminderung zu erhalten, muss man neben der Erwerbsminderung auch noch die gesetzlich vorgegebenen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Dazu muss der Betroffene bis auf wenige Ausnahmefälle bis zum Eintritt der Erwerbsminderung eine Mindestversicherungszeit von fünf Jahren in der GRV vorweisen können.
Zudem muss er in den letzten fünf Jahren vor Erwerbsminderungseintritt drei Jahre Pflichtversicherungsbeiträge in der GRV, zum Beispiel als gesetzlich rentenversicherter Arbeitnehmer, entrichtet haben. Das sind Voraussetzungen, die vor allem Selbstständige, Studenten, Berufsanfänger, Kinder sowie Hausfrauen und -männer oftmals nicht erfüllen, und somit trotz einer eingetretenen Erwerbsminderung keinen Anspruch auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente haben.
Doch selbst wenn man eine volle Erwerbsminderungsrente zugesprochen bekommt, die man nur erhält, wenn man aus gesundheitlichen Gründen weniger als drei Stunden am Tag arbeiten kann, liegt die Rentenhöhe in der Regel bei unter der Hälfte des bisherigen Nettoeinkommens. Die als PDF-Datei herunterladbare Broschüre „Erwerbsminderungsrente: Das Netz für alle Fälle“ der deutschen Rentenversicherung fasst alles Wissenswerte zu dieser Rentenart zusammen.
Zu allen Fachfragen rund um die Einkommensabsicherung ist die Fachabteilung LV der SDV AG gerne für Sie erreichbar:
Telefon: 0821 71008 200
E-Mail: lv@sdv.ag