Aktuell sind knapp sechs Millionen Bürger in Deutschland überschuldet. Schon seit Jahren sind bei rund jedem zweiten Betroffenen die finanziellen Probleme auf nur drei Ursachen zurückzuführen.
Experten rechnen mit Anstieg bei den Überschuldungen
Nach aktuellen Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, die unter anderem auf Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) basieren, gelten hierzulande derzeit rund 5,88 Millionen Einwohner als überschuldet. Das ist der vierte Rückgang in Folge – letztes Jahr waren noch 6,16 Millionen, 2020 6,85 Millionen, 2019 6,92 Millionen und 2018 6,93 Millionen Bürger betroffen.
Die Gründe für den deutlichen Rückgang der letzten drei Jahre sehen Experten der Wirtschaftsauskunftei darin, dass zum einen die Verbraucher aufgrund der Coronapandemie seit 2020 und des Kriegs in der Ukraine seit 2022 weniger Geld ausgeben und zum anderen staatliche Hilfsmaßnahmen einige Verbraucher schützen.
Doch Experten gehen davon aus, dass in den nächsten Monaten die Zahl der Überschuldeten wieder steigen wird, da sich die Folgen der Inflation, insbesondere die Preissteigerungen für Energie und Nahrungsmittel, erst zeitverzögert zeigen.
Dr. Sally Peters, Geschäftsführer des Instituts für Finanzdienstleistungen e.V., ein gemeinnütziges Forschungsinstitut, betont: „Die gesunkene Überschuldungsquote sollte nicht als Zeichen der Entwarnung interpretiert werden. Erfahrungsgemäß zeigen sich die Auswirkungen wirtschaftlicher Krisen auf Verbraucherinnen und Verbraucher verzögert. Zudem ist die finanzielle Lage durch die Energiepreise insbesondere für Geringverdiener weiterhin sehr angespannt.“
Das größte Verschuldungsrisiko: Arbeitslosigkeit
Trotz der derzeit niedrigen Anzahl an Überschuldeten hat aktuell immer noch mehr als jeder zwölfte Erwachsene, nämlich knapp 8,5 Prozent aller volljährigen Einwohner, ein zu geringes Einkommen und Vermögen, um seine Verbindlichkeiten wie die fällige Miete sowie anfallende Rechnungen, Kreditraten und Versicherungsbeiträge fristgerecht begleichen zu können.
Allein letztes Jahr haben sich knapp 575.000 Personen bei den rund 1.400 Schuldnerberatungsstellen, die es in Deutschland gibt, wegen finanzieller Schwierigkeiten beraten lassen. Destatis erstellt jährlich eine Überschuldungsstatistik, die auf den Daten der Schuldnerberatungsstellen basiert und unter anderem verdeutlicht, welche Hauptursachen zur Überschuldung bei Privatpersonen führen.
Für die zuletzt veröffentlichte Statistik wurden die anonymisierten Daten von rund 147.000 Schuldnern, die sich im Berichtsjahr 2021 bei 593 Schuldnerberatungsstellen beraten ließen und mit der statistischen Erfassung einverstanden waren, analysiert.
Insgesamt belegt die Statistik, dass seit 2011 – frühere Statistikdaten liegen hierzu nicht vor – der häufigste Grund für finanzielle Probleme eine eintretende Arbeitslosigkeit ist. Auch 2021 war ein Jobverlust und eine erfolglose Jobsuche für knapp jede fünfte Überschuldung (19,9 Prozent) verantwortlich und damit die häufigste Ursache.
Jede sechste Überschuldung wird durch Unfall und Krankheit verursacht
Auf Rang zwei lagen letztes Jahr gesundheitliche Probleme durch eine Erkrankung, einen Unfall oder eine Sucht und die daraus resultierenden Einkommenseinbußen – mehr als jeder sechste Überschuldungsfall (16,9 Prozent) ist darauf zurückzuführen.
Der dritthäufigste Grund für eine finanzielle Schieflage in 2021 war mit einem Anteil von 14,3 Prozent, also mehr als jedem siebten Fall, eine unwirtschaftliche Haushaltsführung. Insgesamt waren die genannten drei häufigsten Ursachen letztes Jahr für 51,1 Prozent und damit für über die Hälfte aller Überschuldungsfälle verantwortlich.
Weitere Auslöser, die oft zu einer Überschuldung bei Verbrauchern geführt haben, waren 2021 eine Trennung, eine Scheidung oder der Tod des Partners mit einem Anteil von 12,2 Prozent, ein längerfristiges Niedrigeinkommen (10,0 Prozent) sowie eine gescheiterte Selbstständigkeit (8,3 Prozent).
Ferner sind Zahlungsverpflichtungen aus einer Bürgschaft oder Mithaftung (2,3 Prozent), eine Haushaltsgründung oder die Geburt eines Kindes (2,1 Prozent), Schadenersatzforderungen an den Betroffenen, wegen einer unerlaubten Handlung (1,5 Prozent), eine unzureichende Kredit- oder Bürgschaftsberatung (1,4 Prozent) sowie eine gescheiterte Immobilienfinanzierung (1,3 Prozent) häufige Verschuldungsursachen. Für die verbleibenden 9,8 Prozent der Überschuldungsfälle waren laut Destatis diverse andere Auslöser verantwortlich.
Manche Ursachen führen häufiger zu Geldproblemen als früher
Vergleicht man die Werte der Überschuldungsstatistik von 2015 mit denen von 2021 zeigt sich, dass es einige Ursachen gibt, die aktuell deutlich häufiger zu einer finanziellen Schieflage führen als noch vor ein paar Jahren. Während ein dauerhaft geringes Einkommen 2015 noch für 3,4 Prozent der Überschuldungsfälle verantwortlich war, hat sich der Anteil bis 2021 fast verdreifacht auf 10,0 Prozent.
Auch der Anteil der Fälle, die unsolide hauswirtschaften, also mehr Geld ausgeben als einnehmen, und deswegen ihre Verbindlichkeiten nicht mehr fristgerecht begleichen können, ist um das 1,5-Fache von 9,4 Prozent auf 14,3 Prozent angestiegen. Ebenfalls signifikant erhöht, nämlich um ein Viertel von 13,5 Prozent auf 16,9 Prozent, hat sich der Anteil der Betroffenen, die wegen gesundheitlicher Probleme überschuldet sind.
Einen erheblichen Rückgang, um knapp die Hälfte, gab es dagegen bei dem Anteil der Überschuldungen, die auf eine gescheiterte Immobilienfinanzierung zurückzuführen sind. Dieser reduzierte sich von 2,8 Prozent in 2015 auf 1,3 Prozent in 2021. Allerdings könnte diese Ursache aufgrund der aktuellen Zins- und Preisentwicklung wieder verstärkt zu finanziellen Problemen führen.
Wie sich ein finanzielles Desaster vermeiden lässt
Mit einem frühzeitigen Vermögensaufbau sowie einem bedarfsgerechten Versicherungsschutz könnten viele Überschuldungen vermieden werden. Zu nennen sind hier unter anderem eine private Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung, um starke Einkommenseinbußen im Falle einer dauerhaften unfall- oder krankheitsbedingten Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit zu verhindern, sowie eine (Risiko-)Lebensversicherung, die für einen ausreichenden Hinterbliebenenschutz für den Partner sorgt und/oder einen vorhandenen Immobilienkredit absichert.
Wer bereits finanzielle Schwierigkeiten hat, kann sich von einer anerkannten Schuldnerberatungsstelle beraten lassen. Nach entsprechend ortsnahen Adressen kann man unter der Destatis-Website Schuldnerberatungsatlas.destatis.de suchen. Da es jedoch keine einheitliche Kostenregelung für eine Schuldnerberatung gibt, sollte sich ein Ratsuchender bereits vor Beratungsbeginn nach den für ihn anfallenden Kosten erkundigen.
Grundlegende Informationen rund um das Thema Schulden, beispielsweise wie das Verbraucherinsolvenzverfahren funktioniert, enthält das Webportal der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. Zu finden sind hier auch vier Anlaufstellen von gemeinnützigen Trägern und Wohlfahrtsverbänden, die per E-Mail oder Onlinechat eine kostenlose Beratung durchführen.
Zu allen Fachfragen rund um die Einkommensabsicherung ist die Fachabteilung LV der SDV AG gerne für Sie erreichbar:
Telefon: 0821 71008 200
E-Mail: lv@sdv.ag