Tendenziell steigt seit 2006 die Armutsquote in Deutschland. 2021 hat sie einen neuen Höchstwert erreicht. Dabei gibt es bestimmte Haushaltstypen und Personengruppen wie Einpersonenhaushalte, Alleinerziehende, Erwerbslose und Rentner, die häufiger von Armut bedroht sind als andere. Bei den Erwerbstätigen gilt das aktuell insbesondere für Selbstständige.
Mehr als jeder sechste Einwohner gilt als arm
Vor Kurzem hat der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e.V. mit dem Armutsbericht 2022 den neuesten seiner seit 2011 jährlich veröffentlichten Armutsberichte, vorgestellt. Daraus geht hervor, dass letztes Jahr hierzulande etwa 13,8 Millionen Einwohner arm beziehungsweise armutsgefährdet waren. Die Armutsquote betrug damit 16,6 Prozent, was mehr als jedem sechsten Einwohner Deutschlands entspricht.
Als arm beziehungsweise armutsgefährdet gilt, wer in einem Haushalt lebt, dessen gesamtes Haushaltsnettoeinkommen (Nettoäquivalenzeinkommen) unter 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens aller Haushalte, die ihren Hauptwohnsitz in Deutschland haben, beträgt. Zum gesamten Nettoeinkommen eines Haushaltes zählen zum Beispiel Nettogehalt, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Wohngeld sowie andere Sozialleistungen und sonstige Zuwendungen.
Wer 2021 in einem Single- oder Einpersonenhaushalt ein Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.148 Euro hatte, galt als arm oder armutsgefährdet. Diese sogenannte Armuts(gefährdungs)schwelle betrug im gleichen Jahr bei einem Alleinerziehenden mit einem Kind unter 14 Jahren 1.492 Euro, bei einem Paar ohne Kinder 1.721 Euro, bei einem Paar mit einem unter 14 Jahre alten Kind 2.066 Euro und bei einem Paar mit zwei unter 14-jährigen Kindern 2.410 Euro.
Grundlage der Armutsberichte des Paritätischen Gesamtverbandes sind die Daten des Mikrozensus, einer der größten jährlichen Haushaltsbefragungen, die von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder gemeinschaftlich durchgeführt werden. Befragt werden dabei etwa 1 Prozent der Bevölkerung, was im Berichtsjahr 2021 für den aktuellem Armutsbericht, etwa 832.000 Personen entsprach.
Tendenziell steigt die Armutsquote seit 15 Jahren
Insgesamt haben sich die Armutsquote und die Anzahl der Armen in Deutschland seit 15 Jahren tendenziell erhöht. Im Jahr 2006 betrug die Armutsquote noch 14,0 Prozent. Nach Aussage von Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, nahm die Anzahl der Armen in Deutschland von 2006 bis 2021 um über 2,3 Millionen Menschen, nämlich von 11,5 Millionen auf 13,8 Millionen Einwohner zu.
Wie dem Armutsbericht 2022 zu entnehmen ist, ist dagegen im gleichen Zeitraum die Arbeitslosenquote gemäß den Daten der Bundesagentur für Arbeit von 10,8 Prozent in 2006 auf 5,7 Prozent in 2021 gesunken.
Die Anzahl der von Armut betroffenen Menschen hat allein 2021 gegenüber 2020 um circa 300.000 Personen und im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor der Coronapandemie, sogar um 600.000 Einwohner zugenommen. „In den beiden Pandemie-Jahren 2020 und 2021 kletterte die Armutsquote von 15,9 auf 16,6 Prozent. Dies ist der steilste Anstieg innerhalb von zwei Jahren, der mit dem Mikrozensus je gemessen wurde“, wie Dr. Schneider betont.
Diese Haushaltstypen sind besonders von Armut betroffen
Vergleicht man die verschiedenen Haushaltstypen, zeigen sich deutliche Unterschiede bei der jeweiligen Armutsquote. Besonders von Armut betroffen waren hier die Alleinerziehenden mit einer Armutsquote von 41,6 Prozent, gefolgt von Großfamilien, also Haushalten mit zwei Erwachsenen und mehr als zwei Kindern.
Mit einem Anteil von 31,6 Prozent galt fast jede dritte kinderreiche Familie als arm. Auf Platz drei der am häufigsten von Armut betroffenen Haushaltstypen liegen die Einpersonenhaushalte mit einer Armutsquote von 28,1 Prozent.
Rund jeder neunte Haushalt (11,1 Prozent), bestehend aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern, galt als arm. Bei den Familien mit einem Kind traf dies dagegen auf 8,7 Prozent und bei Haushalten mit zwei Erwachsenen ohne Kinder auf 9,2 Prozent zu. Den höchsten Anstieg der Armutsquote bei den genannten Haushaltstypen in 2021 gegenüber 2019, dem Jahr vor der Pandemie, gab es bei den Einpersonenhaushalten – hier stieg die Armutsquote von 26,5 Prozent (2019) auf 28,1 Prozent (2021) und damit um 6,0 Prozent.
Einkommensarmut trifft fast jeden zweiten Erwerbslosen
Auch der Erwerbsstatus wirkt sich deutlich auf das Armutsrisiko aus. Am häufigsten waren mit einem Anteil von 48,8 Prozent Jahr Erwerbslose von Armut betroffen. Zu den Erwerbslosen zählen laut dem Armutsbericht nicht alle Arbeitslose, sondern gemäß Statistischem Bundesamt nur Personen zwischen 15 und 74 Jahren, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, sich aber in den letzten vier Wochen aktiv um eine Arbeitsstelle bemüht haben und binnen zwei Wochen für einen Job zur Verfügung stehen würden.
Der Armutsbericht weist die Armutsquote für alle sonstigen Nichterwerbstätigen mit 23,7 Prozent aus. Zu dieser Personengruppe gehören alle, die nicht erwerbstätig sind und auch nicht zu den Erwerbslosen zählen, wie Menschen im Ruhestand, Schüler sowie Personen, die aus verschiedenen Gründen wie der Kindererziehung oder der Betreuung eines älteren Angehörigen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Bei den Rentnern und Pensionären sind 17,9 Prozent von Armut bedroht. Bei den Nichterwerbstätigen unter 18 Jahren liegt die Armutsquote bei 21,0 Prozent und bei allen anderen Nichterwerbspersonen beträgt sie 41,8 Prozent.
Doch auch bei den Erwerbstätigen haben 8,8 Prozent ein Äquivalenzeinkommen unter der Armutsschwelle. Während abhängig Beschäftigte wie Beamte, Arbeiter, Angestellte eine Armutsquote von 8,4 Prozent aufweisen, beträgt sie bei den Selbstständigen wie Freiberuflern oder Gewerbetreibenden 13,1 Prozent.
Immer mehr Selbstständige liegen unter der Armutsschwelle
Den höchsten Anstieg der von Armut betroffenen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen gab es binnen der letzten zwei Jahre bei den Selbstständigen mit einem Plus von 45,6 Prozent – im Jahr 2019 lag die Armutsquote hier noch bei 9,0 Prozent, 2021 waren es wie bereits erwähnt 13,1 Prozent. „Das ist ein extrem starker Anstieg …, was aber durchaus mit einschlägigen Untersuchungen korrespondiert, die schon während der Pandemie Hinweise gaben, dass es vor allem Selbstständige waren, die in der Pandemie in großer Zahl finanzielle Einbußen zu erleiden hatten“, erklärt Dr. Ulrich Schneider.
Er weist zudem darauf hin: „Auch unter den abhängig Beschäftigten fällt ein ungewöhnlich starker Anstieg der Armut in der Pandemie auf: von 7,9 auf 8,4 Prozent. Drei Faktoren dürften hier eine Rolle spielen: die Einkommensverluste bei Kurzarbeit, die Tatsache, dass unter den abhängig Beschäftigten pandemiebedingt jene am stärksten von Einkommensverlusten betroffen waren, die ohnehin über eher geringe Erwerbseinkommen verfügten, sowie der rapide Anstieg von Teilzeitarbeit. Es kann vermutet werden, dass auch hier pandemiebedingte Arbeitszeitreduzierungen mit entsprechenden Lohneinbußen eine Rolle spielten.“
Bei den abhängig Erwerbstätigen stiegt die Armutsquote um 6,3 Prozent und bei den Personen im Ruhestand um 4,3 Prozent. Bei den Erwerbslosen gab es dagegen einen Rückgang um 15,7 Prozent – 2019 lag die Armutsquote hier noch bei 57,9 Prozent.
Hohes Armutsrisiko bei Kindern, jungen Erwachsenen und Senioren
Betrachtet man die einzelnen Altersgruppen, zeigt sich, dass insbesondere Kinder und junge Erwachsene sowie Senioren von Armut betroffen sind. Bei den ab 65-Jährigen lag die Armutsquote letztes Jahr bei 17,4 Prozent, bei den Minderjährigen bei 20,8 Prozent und bei den 18- bis 24-Jährigen sogar bei 25,5 Prozent. Der Armutsanteil bei den 25- bis 49-Jährigen betrug dagegen 14,6 Prozent und bei den 50- bis 64-Jährigen „nur“ 12,7 Prozent.
Den größten Anstieg der Armutsquote im Vergleich zum Jahr vor der Pandemie gab es bei den 65-Jährigen mit einem Zuwachs von 10,8 Prozent – 2019 waren noch 15,7 Prozent der Senioren von Armut bedroht.
Zudem zeigt der Bericht, dass in allen Altersgruppen die Frauen anteilig häufiger von Armut betroffen sind als Männer. Besonders groß ist der Unterschied bei jungen Erwachsenen und Senioren. Bei den 18- bis 25-jährigen Männern lag die Armutsquote bei 23,8 Prozent, bei den gleichaltrigen Frauen betrug sie 27,3 Prozent und war damit 14,7 Prozent höher als bei den Männern. Noch höher ist die Differenz zwischen der Armutsquote der ab 65-jährigen Männer mit 15,1 Prozent und die der ab 65-jährigen Frauen mit 19,3 Prozent – die Armutsquote der Frauen in diesem Alter ist hier nämlich sogar um 27,8 Prozent höher als die der Männer in der gleichen Altersgruppe.
Insgesamt gibt es zahlreiche Ereignisse wie einen Unfall oder eine Krankheit, die zur Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit führen, ein Verlust des Arbeitsplatzes, ein hoher Umsatzeinbruch bei einem Selbstständigen, der Tod des Ehe- oder Lebenspartners, aber auch ein unzureichendes Alterseinkommen im Rentenalter. Einige dieser Armutsrisiken lassen sich mit einer frühzeitigen Einkommens- und Altersvorsorge absichern.
Zu allen Fachfragen rund um die Einkommensabsicherung und Altersvorsorge ist die Fachabteilung LV der SDV AG gerne für Sie erreichbar:
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