Zum 1. Januar 2022 treten große Teile der im Juni 2021 von der damaligen Regierung beschlossenen Pflegereform in Kraft. Unter anderem gibt es eine finanzielle Entlastung der Pflegebedürftigen in Pflegeheimen, jedoch keine Erhöhung des Pflegegeldes für diejenigen, die zu Hause gepflegt werden. Ab 23-jährige kinderlose Erwerbstätige müssen zudem einen höheren Beitrag für die gesetzliche Pflegeversicherung zahlen.
Stationäre Pflege: Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE) wird reduziert
Anfang Juni 2021 wurde von der damaligen Regierung mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) eine neue Pflegereform beschlossen. Das Ziel der Reform beschreibt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wie folgt: „Alle Pflegekräfte sollen künftig nach Tarif bezahlt werden, ohne dass Pflegebedürftige dadurch überfordert werden. Das ist Gegenstand einer Pflegereform, die das Kabinett am 2. Juni 2021 beschlossen hat.“
Zum 1. Januar 2022 werden Pflegebedürftige, die stationär, also in einem Pflegeheim gepflegt werden, finanziell entlastet. Im Detail wird der Eigenanteil, den Pflegebedürftige für die pflegerischen Kosten – der sogenannte einrichtungseinheitliche Eigenanteil, kurz EEE – selbst zahlen müssen, je nach Dauer der stationären Pflege verringert. Konkret reduziert sich der EEE, der laut Gesetz zwar für Pflegegrad 2 bis 5 gleich hoch ist, allerdings je nach Einrichtung variieren kann, wie folgt:
- ab dem 1. bis 12. Monat der Pflegedauer um 5 Prozent,
- bei mehr als 12 Monaten Pflegedauer um 25 Prozent,
- bei mehr als 24 Monaten Pflegedauer um 45 Prozent und
- bei mehr als 36 Monaten Pflegedauer um 70 Prozent.
Stationäre pauschale Pflegeleistung bleibt gleich
Die Kosten für eine stationäre Pflege finanzieren sich weiterhin wie bisher zum einen aus den pauschalen Leistungen für pflegebedingte Aufwendungen, die von der sozialen Pflegeversicherung (SPV) bezahlt werden, und zum anderen aus einem gesamten Eigenanteil, den der Pflegebedürftige selbst zu tragen hat, da die Pauschalleistung der SPV alleine die Pflegekosten bei Weitem nicht deckt.
Dieser gesamte Eigenanteil, den ein Pflegebedürftiger zur stationären Pflege zu zahlen hat, setzt sich aus der EEE, aus Unterkunfts- und Verpflegungskosten sowie den Investitionskosten des Pflegeheims – darunter fallen zum Beispiel die Gebäudemiete und Instandhaltungskosten – zusammen.
Die monatlichen pauschalen SPV-Leistungen für die stationäre Pflege betragen je nach Pflegegrad des Pflegebedürftigen in 2022 wie bereits in 2021 bei Pflegegrad 1 125 Euro, bei Pflegegrad 2 770 Euro, bei Pflegegrad 3 1.262 Euro, bei Pflegegrad 4 1.775 Euro und bei Pflegegrad 5 2.005 Euro.
Eigenanteil in den ersten zwei Jahren im Schnitt bei ca. 2.000 Euro im Monat
Eine veröffentlichte Auswertung des Verbandes der Ersatzkassen e.V. (VDEK) belegt, dass neben den Pauschalleistungen der SPV der gesamte Eigenanteil, den ein stationär gepflegter Pflegebedürftiger zum Stichtag 1. Juli 2021 selbst zu zahlen hatte, im Durchschnitt bundesweit bei 2.125 Euro lag. Dieser Eigenanteil setzte sich wie folgt zusammen: 461 Euro Investitionskosten, 791 Euro Unterkunfts- und Verpflegungskosten sowie 873 Euro EEE, also der reine pflegerische Eigenanteil. Die ab 2022 geltende Entlastung gilt jedoch nur für den EEE.
Mit der neuen Regelung würde ein Pflegebedürftiger ab 2022 bezogen auf die genannte VDEK-Auswertung im Schnitt in den ersten 12 Monaten der Pflege mit rund 44 Euro, vom ersten bis zum zweiten Jahr mit 218 Euro, ab dem zweiten bis zum dritten Jahr mit knapp 293 Euro und ab dem dritten Jahr mit 611 Euro monatlich entlastet.
Das heißt, ein Pflegebedürftiger müsste auf Basis der VDEK-Auswertung im ersten Jahr immer noch 2.081 Euro, während des zweiten Jahres knapp 1.907 Euro, im Laufe des dritten Jahres 1.732 Euro und nach dem dritten Jahr immer noch fast 1.514 Euro pro Monat selbst tragen. Je nach Einrichtung kann der gesamte Eigenanteil aber auch niedriger oder höher liegen.
Änderungen in der ambulanten Pflege
Einem Pflegebedürftigen, der ambulant gepflegt wird, steht für die Pflege durch einen nicht gewerblichen Pflegenden wie einen pflegenden Angehörigen ein Pflegegeld zu. Wird ein ambulanter Pflegedienst in Anspruch genommen, erhält man auch sogenannte Pflegesachleistungen. Eine Kombination aus beiden Leistungen ist möglich. In dem Fall kürzt sich das Pflegegeld anteilig zur Inanspruchnahme der Pflegesachleistungen.
Ab 2022 wird es nach der Pflegereform gegenüber diesem Jahr keine Änderung bei der Höhe des Pflegegeldes geben. Die Höhe des monatlichen Pflegegeldes beträgt bei Pflegegrad 2 316 Euro, bei Pflegegrad 3 545 Euro, bei Pflegegrad 4 728 Euro und bei Pflegegrad 5 901 Euro. Die Pflegesachleistung steigt dagegen um 5 Prozent wie folgt an:
- Pflegegrad 2 bisher 689 Euro – ab 2022 723 Euro,
- Pflegegrad 3 bisher 1.298 Euro – ab 2022 1.363 Euro,
- Pflegegrad 4 bisher 1.612 Euro – ab 2022 1.693 Euro,
- Pflegegrad 5 bisher 1.995 Euro – ab 2022 2.095 Euro.
Neu ab 2022 ist außerdem ein Leistungsanspruch auf digitale Pflegeanwendungen, kurz DiPA, und ergänzende Unterstützungsleistungen in Höhe von insgesamt maximal 50 Euro monatlich. Solche DiPA-Anwendungen können beispielsweise Anwendungsprogramme (Apps) für den PC, das Tablet oder das Smartphone sein, die den Pflegebedürftigen oder den Pflegenden helfen, die Pflegeaufgaben zu organisieren, besser zu bewältigen oder in sonst einer Weise die Pflege zu unterstützen. Die Leistung muss vorher bei der Pflegekasse beantragt und von dieser auch genehmigt werden. Laut BMG wird das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) voraussichtlich ab Frühjahr 2022 ein Verzeichnis, welche Anwendungen erstattungsfähig sind, erstellen.
Leistung für Kurzzeitpflege wird angehoben
Änderungen gibt es auch bei der Kurzzeitpflege, nicht jedoch bei der Verhinderungspflege. Ist eine Kurzzeitpflege, also eine vorübergehende Unterbringung eines Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2 in einem Pflegeheim zum Beispiel aufgrund einer Krisensituation in der häuslichen Pflege oder direkt im Anschluss nach einem Klinikaufenthalt als Übergang notwendig, zahlt die SPV aktuell für maximal acht Wochen pro Kalenderjahr eine Kurzzeitpflegeleistung von bis zu 1.612 Euro. Ab 1. Januar 2022 wird diese Kurzzeitpflegeleistung um 10 Prozent auf 1.774 Euro erhöht.
Falls im gleichen Kalenderjahr der Kurzzeitpflege keine oder nur teilweise Verhinderungspflegeleistungen in Anspruch genommen wurden, kann die Kurzzeitpflegeleistung auf bis zu 3.386 Euro erhöht werden, bisher waren es 3.224 Euro. Grundsätzlich gilt bezüglich einer Verhinderungspflege: Fällt die bisherige private Pflegeperson beispielsweise urlaubs- oder krankheitsbedingt bis zu 6 Wochen im Kalenderjahr aus, kann eine Verhinderungspflegeleistung für die Aufwendungen einer weiteren Pflegeperson in Anspruch genommen werden.
Ist die Ersatzpflegeperson ein naher Angehöriger des Pflegebedürftigen, beträgt die Verhinderungspflegeleistung der SPV wie bisher das 1,5-Fache des normalen Pflegegeldes. Kann nachgewiesen werden, dass die Ersatzpflegeperson höhere Aufwendungen, wie zum Beispiel Verdienstausfall und Fahrtkosten hat, oder handelt es sich um eine professionelle Pflegeperson werden maximal 1.612 Euro pro Kalenderjahr erstattet.
Die Pflegeversicherung wird für Kinderlose teurer
Zur Finanzierung der SPV wird neben den Beiträgen, den die gesetzlich Pflegeversicherten an die SPV zahlen müssen, ein Bundeszuschuss von jährlich 1 Milliarde Euro ab 2022 eingeführt. Der Beitragssatz der SPV für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer mit Kindern bleibt auch in 2022 wie bereits seit 2019 bei 3,05 Prozent – dieser ist von Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils zur Hälfte zu tragen, also je 1,525 Prozent vom Bruttoeinkommen des Arbeitnehmers.
Kinderlose Arbeitnehmer, die 23 Jahre oder älter sind, mussten seit 2005 zusätzlich 0,25 Beitragssatzpunkte alleine entrichten, der SPV-Beitragssatz lag für sie damit bei insgesamt 1,775 Prozent. Für die Arbeitgeber sind es weiterhin 1,525 Prozent, was zusammen einem Gesamtbeitragssatz für die SPV von 3,3 Prozent entspricht. Dieser Zuschlag für Kinderlose wird ab 1. Januar 2022 um 0,1 Prozentpunkte von 0,25 auf 0,35 Beitragssatzpunkte angehoben. Damit muss ein kinderloser, ab 23 Jahre alter Arbeitnehmer 1,875 Prozent seines Bruttoeinkommens für die SPV entrichten. Dessen Arbeitgeber trägt weiterhin 1,525 Prozent, was insgesamt einen SPV-Beitragssatz von 3,4 Prozent ergibt.
In Sachsen ist der SPV-Beitragssatz für alle Arbeitgeber um 0,5 Prozentpunkte niedriger und für die Arbeitnehmer um 0,5 Prozent höher, da hier im Gegensatz zu den anderen Bundesländern nicht auf einen Feiertag, nämlich den Buß- und Bettag, der immer auf einen Werktag fällt, zugunsten der Finanzierung der SPV verzichtet wird. Ein Arbeitgeber muss in Sachsen einen SPV-Beitragssatz von 1,025 Prozent, ein Arbeitnehmer mit Kindern 2,025 Prozent und ein kinderloser, ab 23-jähriger Arbeitnehmer 2,275 Prozent und ab 2022 2,375 Prozent tragen.
Weitere Informationen zur Pflegereform, die 2022 in Kraft tritt, enthalten die Webportale des BMG und des Verbandes der privaten Kranken- und Pflegeversicherer (PKV-Verband). Eine Übersicht über die aktuellen und ab 2022 geltenden Leistungen der SPV gibt die kostenlos downloadbare BMG-Broschüre „Ratgeber Pflege“.
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