Eine aktuelle Entscheidung des BGH zeigt auf, dass Gerichte bei Beurteilungen eventuell vorliegender Berufsunfähigkeit auch sämtliche privat beauftragten Gutachten von Sachverständigen in ihre Beurteilung einbeziehen müssen.
Der entschiedene Fall im Detail
Im vor dem BGH nun entschiedenen Fall, der zu Geschäftszeichen IV ZR 220/19 aufliegt, stritten sich die Parteien darüber, ob eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit beim Kläger nach wie vor besteht oder wieder entfallen ist. Dieser arbeitete als selbstständiger Marktleiter einer Supermarktfiliale und war seit Oktober 2010 wegen psychischer Erkrankungen berufsunfähig eingestuft. Die beklagte Versicherung erkannte zuerst die Leistungen an, stellte sie aber nach ca. vier Jahren wieder ein. Dazu diente ihr als Grundlage ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten eines Sachverständigen, der zum Ergebnis kam, dass der Kläger nicht mehr berufsunfähig sei.
Weitere Gutachten eingeholt
Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt als Vorinstanz hatte drei Gutachten vorliegen, davon jeweils ein Privatgutachten vom Kläger und der Versicherung sowie ein gerichtlich beauftragtes Gutachten. Auch dieses kam zum Ergebnis, dass beim Kläger keine Berufsunfähigkeit mehr vorliegt. Im Gegensatz zum Gutachten, das der Kläger vorlegte, hatte es sich aber nicht ausreichend und vor allem differenziert mit den individuellen Tätigkeiten des Klägers auseinandergesetzt. Deshalb wurde es nicht verwertet. Damit folgte das OLG den Ausführungen des Privatgutachtens vom Kläger.
Alle Gutachten müssen in die Beurteilung einfließen
Das Oberlandesgericht unterlag der Fehleinschätzung, sich nur auf das gerichtliche Gutachten und das Privatgutachten des Klägers zu beziehen. Die Versicherung wurde in der Folge dazu verurteilt, die Rente weiterhin auszuzahlen. Das hat nun der BGH bemängelt und weiter festgehalten, dass Gerichte immer auf Grundlage aller vorliegender Arztberichte und Gutachten urteilen müssen. Das setzt zumindest voraus, dass sich der gerichtlich beauftragte Sachverständige mit beiden Privatgutachten beschäftigen und das Gericht das auch würdigen hätte müssen. Das war im vorliegenden Fall nicht passiert, weshalb der BGH den Fall an die Vorinstanz zurückverwies. Nun muss sich also das OLG erneut damit auseinandersetzen.
Eine lückenlose Dokumentation ist entscheidend
Der vorliegende Beschluss zeigt also, welche Bedeutung Arztberichte und – wenn vorhanden – Gutachten in derartigen Auseinandersetzungen vor Gericht haben. Damit Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeit auch durchsetzbar sind, ist es von enormer Wichtigkeit, die Krankheitsgeschichte so gut und vor allem lückenlos wie möglich darzustellen und für die gerichtliche Auseinandersetzung aufzubereiten. Nur dann ist auch gewährleistet, dass sämtliche medizinischen Aspekte entsprechend ausreichend gewürdigt werden können.
Zu beachten ist, dass mit dieser Entscheidung der BGH auch bestätigt, wie wichtig sogenannte Parteigutachten in einem Gerichtsverfahren sind. Bis dato wurden privat beauftragte SV-Gutachten ja eher als Gutachten zweiter Klasse eingeschätzt, da die Beauftragung ja nicht unabhängig erfolgte. Dem hat das BGH nun eindeutig widersprochen und festgehalten, dass sie als unabhängig zu würdigen sind.
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