OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.12.2018 – 5 U 4/18 in Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 12.07.2017 – IV ZR 151/15
von Rechtsanwalt Lars Krohn LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht (Kanzlei Michaelis)
Die Parteien des Rechtstreits haben um Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung wegen eines Rohrbruchschadens gestritten. Der Entscheidung des Oberlandesgerichts und des vorangegangenen Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 12.12.2017 – 14 O 170/14 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Zwischen den Parteien bestand eine Wohngebäudeversicherung für das von dem Versicherungsnehmer am 04.09.1974 erworbene Anwesen, Versicherungsbeginn war der 01.01.1975. Zu den versicherten Gefahren zählten insbesondere „Leitungswasser, Rohrbruch und Frost“. Die vorliegend interessierenden Klauseln der allgemeinen Bedingungen lauten wie folgt:
„§ 1 versicherte Gefahren
(1) Der Versicherer leistet nach dem Eintritt des Versicherungsfalles Entschädigung für versicherte Sachen, die zerstört oder beschädigt werden durch (…),
b) Leitungswasser, Rohrbruch oder Frost (Leitungswasserversicherung – § 4),
§ 4 Umfang der Leitungswasserversicherung
(1) Als Leitungswasser im Sinne dieser Bedingungen gilt Wasser, das aus den Zu- oder Ableitungsrohren, den sonstigen Einrichtungen der Wasserversorgung oder aus den Anlagen der Warmwasser-oder der Dampfheizung bestimmungswidrig ausgetreten ist. Wasserdampf wird im Rahmen dieser Bedingungen dem Leitungswasser gleichgestellt.“
Sowohl innerhalb als auch außerhalb der versicherten Gebäude sehen die Versicherungsbedingungen Deckung für Schäden durch Rohrbruch oder Frost (einschließlich der Kosten der Nebenarbeiten und des Auftauens), an den Zuleitungsrohren der Wasserversorgung vor; außerhalb der versicherten Gebäude auch an den Ableitungsrohren der Wasserversorgung.
Zum Versicherungsfall regelt § 6 des Bedingungswerkes: „Der Versicherungsfall tritt in dem Zeitpunkt ein, in dem sich eine versicherte Gefahr an versicherten Sachen zu verwirklichen beginnt.“
Am 03.01.2013 kam es zu einem Wassereintritt im Keller des versicherten Gebäudes. Da ein Eindringen in die Rohre mit einer Kamera nicht möglich war, wurde der Boden des im Keller befindlichen Waschraums aufgestemmt und das daran verlegte Rohr aufgeschnitten. Der beklagten Versicherung wurde unter Beifügung eines Angebots der Firma, die mit der Untersuchung der Schadenursache beauftragt worden war, ein angeblicher Rohrbruch an einem Abflussrohr des versicherten Gebäudes angezeigt. Ausweislich einer Rechnung dieses Unternehmens vom 24.01.2013 über EUR 5.831,00 brutto, die der Kläger bezahlt hatte, wurden die Sanierungsarbeiten an der Rohrleitung bzw. ihre Reparatur in der Zeit vom 07. – 10.01.2013 durchgeführt. Erstinstanzlich hatte der Versicherer die Abweisung der Klage beantragt. Er ist der Auffassung, dass ein versicherter Rohrbruch nicht nachgewiesen sei.
Nachdem das Landgericht Saarbrücken in erster Instanz von einem erwiesenen Rohrbruch ausgegangen war und der Klage weitestgehend stattgegeben hatte, verfolgte die beklagte Versicherung mittels Berufung zum OLG Saarbrücken ihren Klagabweisungsantrag weiter. Die Berufung des Versicherers hatte Erfolg, denn unzutreffender Weise war das Landgericht vorliegend von einem „Leitungswasserschaden“ ausgegangen und hatte auf die Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 12.07.2017 – IV ZR 151/15, abgestellt, wohingegen es vorliegend aber um die Reparaturkosten des beschädigten Leitungsrohrs ging, nicht aber um Schäden, die durch Austreten des Leitungswasser im Fall eines sogenannten Leitungswasserschadens entstehen.
Anders als im Fall eines – vom Landgericht irrtümlich zugrunde gelegten – Leitungswasserschadens, der eine Gefahr beschreibt, die sich – anders als ein Rohrbruch – regelmäßig über einen – oft längeren – Zeitraum erstreckt und bei dem sich der Schaden mit zunehmender Dauer infolge ständig nachlaufenden Wassers vergrößert, BGH VersR 2017, 1076, ist der Versicherungsfall hier nicht erst mit Auftreten oder Sichtbarwerden durch den Rohrbruch hervorgerufener Wasserschäden, sondern bereits mit der Schädigung des Rohres, die zu dem Wassereintritt geführt hat, eingetreten, d.h. mit dem Rohrbruch als solchem (OLG Saarbrücken, Urteil vom 18.01.2012 – 5 U 31/09 – 11; OLG Hamm VersR 1993, 97; OLG Köln, R+S 2007, 511 und 512). Die hier gegenständliche Rohrbruchversicherung gewährt nach Maßgabe der Bedingungen Versicherungsschutz unter anderem für den Fall des Rohrbruchs und damit „für ein meist punktuelles Ereignis“, BGH Urteil vom 12.07.2017 – IV ZR 151/15.
Dass dieses versicherte Ereignis – der Rohrbruch – in den versicherten Zeitraum des Vertrages fällt, hätte nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger, also der Versicherungsnehmer, beweisen müssen, und zwar gem. § 286 ZPO mit einem solchen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH Urteil vom 22.06.1967 – II ZR 117/64).
Das ist ihm vorliegend nach auch in zweiter Instanz durchgeführter Beweisaufnahme nicht gelungen, denn aufgrund Sachverständigengutachtens stand fest, dass der Rohrbruch bereits zu einem Zeitpunkt der Errichtung des Wohngebäudes eingetreten sein musste, der Versicherungsbeginn lag jedoch erst nach Fertigstellung des Gebäudes. Damit war ein Eintritt des Versicherungsfalls in versicherter Zeit nicht nachgewiesen und die Klage wurde in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils durch das OLG Saarbrücken insgesamt abgewiesen
Fazit:
Vorliegend ist von entscheidender Bedeutung, wie wichtig die genaue Einordnung des zutreffenden „Versicherungsfalls“ ist, denn hier hatte das Landgericht erstinstanzlich einen Fehler begangen und war von einem Leitungswasserschaden ausgegangen, welcher mit der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.07.2017 – IV ZR 151/15) bereits außerhalb versicherter Zeit angelegt sein kann, wegen des Erstreckens über einen Zeitraum aber zum Eintritt des Versicherungsfalls auf dessen Entdeckung abgestellt wird, wohingegen der Rohrbruch ein punktuelles Ereignis darstellt und der so bezeichnete