Wie in allen anderen Branchen wetteifern auch im Versicherungswesen die Anbieter stetig um das beste Produkt. Die optimal auf den Kundenbedarf zugeschnittenen Angebote werden dann auch in der Fachpresse entsprechend gewürdigt, womit die Initiatoren dieser Policen selbstverständlich auch zu Recht in ihren Broschüren kokettieren. In manchen Bereichen jedoch werden nicht nur die Produkte mit einem Preis belohnt, welche durch besonders positive Eigenschaften auf sich aufmerksam gemacht haben, sondern auch jene, welche kein Makler seinen Kunden guten Gewissens empfehlen würde.
Dieser unliebsame Preis, den kein Versicherer gerne entgegennimmt, hört auf den zugegebenermaßen etwas plakativen Namen „Versicherungskäse“. Das Äquivalent zur goldenen Himbeere der Filmbranche wird von den einen, meist den Gesellschaften, gefürchtet und von den Maklern zumeist ein wenig belächelt. Tatsächlich ist die Vergabe dieses zweifelhaften Preises mit einem gewissen Augenzwinkern zu verstehen, weshalb der Versicherungskäse vielen Leuten mittlerweile das eine oder andere Schmunzeln entlockt.
Eine Jury entscheidet
Verliehen wird dieser Preis vom Bund der Versicherten. Über Wohl und Wehe der Kandidaten entscheidet jedoch eine bunt gemischte Jury aus Fachleuten wie Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale in Hamburg, die Juristin und Verbraucherschützerin Edda Castelló, Lars Gatschke von der Verbraucherzentrale Bundeverband e.V., der Direktor des Institutes der Finanzdienstleistungen e.V. und Barbara Sternberger-Frey vom gleichnamigen Redaktionsbüro. Dieses schlagkräftige „Tribunal“ hebt oder senkt gemeinschaftlich den Daumen hinsichtlich der von Verbrauchern und Journalisten vorgeschlagenen „Delinquenten“.
Trommelwirbel
Die Speerspitze bildeten in diesem Jahr zum einen die sogenannte „Prosperity-Wohlstandsvorsorge“ der Liechtenstein Life Assurance AG, die „Vorsorgekomponente V“ der Allianz private Krankenversicherungs AG und der „Wetter Bonus“ aus dem Hause Cardiff allgemeine Versicherung. Der Branchenriese Allianz hatte in diesem Jahr also die einmalige Chance, nach der ersten Verleihung dieses wenig prestigeträchtigen Preises im Jahre 2015 erneut ganz oben auf dem Siegertreppchen zu stehen.
And the winner is …
Im Rahmen der Wissenschaftstagung des BDV im April in Berlin wurde der Versicherungskäse 2019 an die Prosperity-Wohlstandsvorsorge der Liechtenstein Life Assurance AG vergeben. Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten der mit einer App betriebenen fondsgebundenen Rentenversicherung waren im Wesentlichen folgende Punkte:
Zum einen sind auf der Website nahezu keine detaillierten Produktinformationen enthalten, was zu einem hohen Maß an fehlender Transparenz führt. Wer sich weiterführend informieren möchte, kommt nicht umhin, sensibelste Daten preiszugeben. Hierzu gehören beispielsweise Ausweisnummer und Steuer-ID. Der Datenschutz wird laut Expertenmeinung hier also regelrecht mit Füßen getreten.
Ferner sind auch diverse Falschinformationen Stein des Anstoßes, der zu diesem Preis geführt hat. So wirbt der Anbieter explizit damit, vollumfänglich auf versteckte Kosten zu verzichten. Wer sich allerdings eingehender mit diesem Produkt beschäftigt, stellt schnell fest, dass Extra-Kosten für den Todesfallschutz zu den Verwaltungskosten für die Police hinzukommen. Ganz zu schweigen von zusätzlichen, fondsinternen Verwaltungsaufwendungen. Des Weiteren wird die Falschinformation gestreut, der Kunde käme zu jedem Zeitpunkt gratis aus dem Vertrag heraus, was der geschulte Blick der Experten sehr schnell als unwahr entlarvt hat.
Diese und noch ein paar andere Punkte haben in der Summe dazu geführt, dass sich dieses Produkt die goldene Himbeere der Versicherungsbranche redlich verdient hat. In jeder Hinsicht also ein würdiger Sieger.
Spaß bei Seite
Dieser Preis, welcher auf den ersten Blick zum Schmunzeln anregt, hat auf den zweiten Blick einen durchaus ernsten Hintergrund, denn dieses Schmunzeln bleibt jedem verantwortungsvollen Makler schnell im Halse stecken, wenn er die hanebüchenen Eckdaten sieht, welche diesem Produkt zum Sieg verholfen haben. Trotz des ein wenig humoristischen Beigeschmacks dieses Preises erfüllt er einen überaus wichtigen Auftrag. Er entlarvt unseriöse und zumindest dubiose Produkte und gibt diese der Lächerlichkeit preis. Verständlicherweise heftet sich keine Gesellschaft diesen Orden gerne an, fungiert er doch als Stigma in der Branche.
Intention ist zudem, dass die Gesellschaften die betreffenden Produkte nach Bekanntwerden zur Imagerettung aus dem Programm nehmen oder zumindest erheblich überarbeiten. Insofern kommt dem Versicherungskäse durchaus eine wichtige Aufgabe zu, denn er führt durch die Zurschaustellung zweifelhafter Produkte zu einer Art Selbstdisziplinierung der Gesellschaften und einem erhöhten Standard in punkto Qualität und Nutzen für den Kunden.