Die meisten Pflegebedürftigen werden ambulant gepflegt

Noch nie erhielten so viele Einwohner aufgrund einer vorliegenden Pflegebedürftigkeit Leistungen von der gesetzlichen Pflegeversicherung. Besonders hoch ist der Anteil derer, die zu Hause gepflegt werden. Was den Betroffenen und ihren Angehörigen für die ambulante Pflege zusteht.

Erstmals mehr als fünf Millionen Pflegebedürftige

Im Jahr 1995 wurde die gesetzliche Pflegeversicherung in Deutschland eingeführt. Alle gesetzlich Krankenversicherten sind automatisch über die soziale Pflegeversicherung (SPV), deren Träger die Krankenkassen sind, versichert. Privat Krankenversicherte haben sich im Rahmen einer privaten Pflegepflichtversicherung (PPV) bei einem privaten Krankenversicherer abzusichern. Wie die Statistiken zeigen, steigt jedes Jahr die Zahl der Pflegebedürftigen, die entsprechende Leistungen von der SPV oder der PPV erhalten, an.

Letztes Jahr wurde zum ersten Mal die 5-Millionen-Marke überschritten. Konkret waren 2022 fast 5,2 Millionen Einwohner pflegebedürftig. Damit hat sich allein in den letzten zehn Jahren die Anzahl der Pflegebedürftigen verdoppelt.

Im Detail waren letztes Jahr gemäß den aktuellen Daten des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) knapp 4,88 Millionen Pflegebedürftige SPV-versichert. Zusätzlich erhielten nach Angaben des Verbands der privaten Krankenversicherung e.V. (PKV-Verband) Ende 2021 – neuere Daten liegen noch nicht vor – fast 293.000 PPV-Versicherte Pflegeversicherungsleistungen.

Fast 83 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt

Knapp 890.000 Betroffene waren auf eine stationäre Pflege in einem Pflegeheim angewiesen. Die Mehrheit der Pflegebedürftigen, nämlich knapp 83 Prozent beziehungsweise über 4,28 Millionen Betroffene, wurde letztes Jahr ambulant, also in der Regel zu Hause gepflegt.

In der stationären wie in der ambulanten Pflege hängt die Leistungshöhe der gesetzlichen Pflegeversicherung vom Pflegegrad ab, in der der Pflegebedürftige eingestuft ist. Insgesamt gibt es fünf Pflegegrade. „Die fünf Pflegegrade sind abgestuft: von geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (Pflegegrad 1) bis zu schwersten Beeinträchtigungen, die mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung einhergehen (Pflegegrad 5)“, wie das BMG erklärt.

Selbst bei den ambulant Gepflegten waren letztes Jahr fast 39 Prozent in einer der drei höchsten Pflegegrade eingestuft, das heißt, die Betroffenen waren in einem hohen Maße auf die Hilfe und pflegerische Versorgung anderer angewiesen. Konkret hatten 17 Prozent den Pflegegrad 1, 44 Prozent den Pflegegrad 2, 27 Prozent den Pflegegrad 3, knapp 9 Prozent den Pflegegrad 4 und fast 3 Prozent den Pflegegrad 5.

Die ambulante Pflege übernehmen größtenteils die Angehörigen

Laut der letzten Pflegestatistik, die alle zwei Jahre von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder durchgeführt wird, wurden im Jahr 2021 61 Prozent der ambulanten Pflegefälle ausschließlich von den Angehörigen der Pflegebedürftigen versorgt. Bei 25 Prozent der ambulant Gepflegten erfolgte die Pflege in Zusammenarbeit mit Angehörigen und ambulanten Pflegediensten oder allein durch ambulante Pflegedienste. In den restlichen 13 Prozent der Fälle handelte es sich um Personen mit Pflegegrad 1, die, sofern notwendig, auch durch Angehörige ambulant gepflegt wurden.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) waren von den 5,3 Millionen pflegenden Angehörigen und Nahestehenden etwa drei Millionen erwerbstätig. Dabei ist die Pflege an sich für den Pflegenden nicht nur zeitaufwendig, sondern auch psychisch und körperlich belastend, wie Studien belegen. Die Pflege kann zudem auch finanzielle Auswirkungen für den pflegenden Angehörigen haben, beispielsweise durch die Einschränkung oder Aufgabe der bisher ausgeübten beruflichen Tätigkeit.

Leistungen der Pflegeversicherung: vom Pflegegeld …

Zu den Pflegeversicherungsleistungen gehört unter anderem eine kostenlose Pflegeberatung, die jedem Pflegebedürftigen, aber auch den pflegenden Angehörigen zusteht. Entsprechende Beratungsstellen können beim Träger der Pflegeversicherung erfragt oder im Webauftritt der gemeinnützigen Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege gesucht werden.

Für eine ambulante Pflege steht einem Pflegebedürftigen für die Hilfe durch einen nicht gewerblichen Pflegenden wie einen pflegenden Angehörigen ein Pflegegeld zu. Die Höhe des monatlichen Pflegegeldes richtet sich wie folgt nach dem Pflegegrad des Pflegebedürftigen:

  • Pflegegrad 2 = 316 Euro,
  • Pflegegrad 3 = 545 Euro,
  • Pflegegrad 4 = 728 Euro,
  • Pflegegrad 5 = 901 Euro.

Pflegebedürftige, die sich von einem ambulanten Pflegedienst versorgen lassen, haben Anspruch auf eine sogenannte Pflegesachleistung. Übernommen werden diesbezüglich die Kosten des ambulanten Pflegedienstes, höchstens jedoch ein monatlicher Pauschalbetrag, der ebenfalls vom Pflegegrad abhängt. Die maximale Höhe der Pflegesachleistung beträgt

  • bei Pflegegrad 2 = 724 Euro,
  • bei Pflegegrad 3 = 1.363 Euro,
  • bei Pflegegrad 4 = 1.693 Euro und
  • bei Pflegegrad 5 = 2.095 Euro.

Auch eine Kombination aus einem Pflegegeld und einer Pflegesachleistung ist möglich, beispielsweise wenn man dreimal in der Woche einen ambulanten Dienst zum Baden des Pflegebedürftigen benötigt und die sonstige Pflege von einem Angehörigen übernommen wird. Kombiniert man die Leistungen, wird das Pflegegeld anteilig zur Inanspruchnahme der Pflegesachleistung gekürzt. Wer beispielsweise von der maximalen Höhe der Pflegesachleistung die Hälfte in Anspruch nimmt, erhält maximal die Hälfte des Pflegegeldes.

… über die Kurzzeit- und Verhinderungspflege …

Zusätzlich übernimmt die gesetzliche Pflegeversicherung ab Pflegegrad 2 noch eine Kurzzeitpflege für maximal acht Wochen pro Kalenderjahr von bis zu 1.774 Euro. Sie ist laut BMG möglich, wenn „die häusliche Pflege zeitweise nicht, noch nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden kann und auch eine teilstationäre Pflege nicht ausreicht“.

Kann die Pflege bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr durch den pflegenden Angehörigen nicht durchgeführt werden, weil er selbst krank ist oder in Urlaub geht, zahlt die Pflegeversicherung eine Verhinderungspflege für die Aufwendungen einer weiteren Pflegeperson oder einen ambulanten Pflegedienst. Für eine Ersatzpflege durch einen weiteren Angehörigen zahlt die Pflegeversicherung das 1,5-Fache des normalen Pflegegeldes. Hat die Ersatzpflegeperson höhere finanzielle Belastungen, beispielsweise aufgrund eines Verdienstausfalles oder aufzuwendender Fahrtkosten, oder handelt es sich um eine professionelle Pflegeperson, werden bis zu 1.612 Euro im Kalenderjahr erstattet.

Wird in einem Kalenderjahr keine Verhinderungspflege, sondern nur eine Kurzzeitpflege in Anspruch genommen, erhöht sich der Leistungsbetrag der Kurzzeitpflege für dieses Jahr auf insgesamt bis zu 3.386 Euro. Benötigt man dagegen keine Kurzzeitpflege, sondern nur eine Verhinderungspflege in einem Kalenderjahr, steigt die Verhinderungspflegeleistung auf bis zu 2.418 Euro.

Kann die häusliche Pflege nicht in ausreichendem Umfang gewährleistet werden, beispielsweise weil der pflegende Angehörige noch voll berufstätig ist, ist auch eine Unterbringung des Pflegebedürftigen in einer teilstationären Pflegeeinrichtung zur Tages- oder Nachtpflege möglich. Die maximale Leistungshöhe ist auch hier wie folgt vom Pflegegrad abhängig:

  • Pflegegrad 2 = 689 Euro,
  • Pflegegrad 3 = 1.298 Euro,
  • Pflegegrad 4 = 1.612 Euro,
  • Pflegegrad 5 = 1.995 Euro.

„Neben der Tages- und Nachtpflege können die Ansprüche auf ambulante Pflegesachleistungen und/oder (anteiliges) Pflegegeld ohne Kürzung in vollem Umfang in Anspruch genommen werden“, betont das BMG.

… und einem Entlastungsbeitrag …

„Aufgrund der vergleichsweise geringen Beeinträchtigungen, die in Pflegegrad 1 vorliegen, werden für diesen Personenkreis noch keine ambulanten Sachleistungen durch Pflegedienste oder Pflegegeld vorgesehen, wie sie für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 erbracht werden“, so die Aussage des BMG.

Ihnen steht jedoch, wie auch den Pflegebedürftigen mit einem höheren Pflegegrad, für eine ambulante Pflege ein Entlastungsbeitrag von bis zu 125 Euro monatlich zu. Der Entlastungsbetrag ist zweckgebunden und kann für Kosten aufgewendet werden, die für die Entlastung von pflegenden Angehörigen oder zur Förderung der Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen anfallen, wie zum Beispiel für die Unterstützung durch einen professionellen Pflegedienst.

… bis zu Umbaumaßnahmen und den Pflegehilfsmitteln

Eine weitere mögliche Leistung der gesetzlichen Pflegeversicherung für die ambulante Pflege ist ein finanzieller Zuschuss in Höhe von bis zu 4.000 Euro für die Veränderungs- oder Umbaumaßnahmen der Wohnung des Pflegebedürftigen, um die Pflege zu ermöglichen oder zu erleichtern, wie der Einbau eines Hebeliftes im Bad oder das rollstuhlgerechte Verbreitern von Wohnungstüren.

Die Pflegeversicherung trägt zudem komplett oder zum Teil die Kosten für Pflegehilfsmittel. Sie übernimmt zum Beispiel die Kosten für technische Pflegehilfsmittel wie ein Notrufsystem abzüglich eines Eigenanteils von 10 Prozent, maximal jedoch 25 Euro, die der Pflegebedürftige zu tragen hat.

Größere technische Pflegehilfsmittel wie ein Bett werden meist leihweise überlassen. Für Verbrauchsprodukte wie Betteinlagen oder Einmalhandschuhe werden bis zu 40 Euro pro Monat erstattet. Wenn Rollstühle oder Gehhilfen ärztlich verordnet werden, trägt die gesetzliche Pflegeversicherung die Kosten.

Sonstige Leistungen für pflegende Angehörige

Um pflegende Angehörige zu unterstützen und sie zu entlasten, gibt es auch einige Leistungen, die die Pflegenden selbst in Anspruch nehmen können. Dazu zählt die kostenlose Teilnahme an Pflegekursen, die beispielsweise von Pflegediensten und -einrichtungen, Volkshochschulen oder Bildungsvereinen angeboten werden. Zudem kann ein pflegender Angehöriger, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind, auch eine Pflegezeit, eine Familienpflegezeit, ein Pflegeunterstützungsgeld und/oder ein zinsloses Darlehen im Rahmen der Pflege- oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen.

Muss ein pflegender Angehöriger wegen einer akut aufgetretenen Pflegesituation von der Arbeit fernbleiben, kann er bis zu zehn Tage unentgeltlichen Sonderurlaub nehmen und beim Pflegeversicherer einen Antrag auf eine Lohnersatzleistung für diese Zeit stellen. Ein berufstätiger Angehöriger, der bis zu sechs Monate einen Pflegebedürftigen ambulant pflegen möchte, kann sich im Rahmen der Pflegezeit vollständig oder teilweise von seiner Berufstätigkeit freistellen lassen, sofern sein Arbeitgeber mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt.

Wer als Privatperson die ambulante Pflege eines Pflegebedürftigen längerfristig übernehmen will, kann für maximal 24 Monate seine Arbeitszeit auf höchstens 15 Wochenstunden reduzieren. Der Anspruch auf diese sogenannte Familienpflegezeit gilt jedoch nur für Pflegende, die in einem Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten arbeiten. Es besteht jedoch weder bei der Pflegezeit noch bei der Familienpflegezeit ein Anspruch auf eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber oder eine sonstige Stelle.

Beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) kann man jedoch ein zinsloses Darlehen aufnehmen. Dieses soll laut BAFzA helfen, den durch die Pflege- oder Familienpflegezeit entstehenden Verdienstausfall abzufedern.

Informationsmöglichkeiten für Betroffene

Weitere Informationen über die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung enthält der BMG-Webauftritt selbst sowie die BMG-Website gesund.bund.de, aber auch das BMFSFJ-Webportal www.wege-zur-pflege.de und die downloadbaren BMG-Broschüren „Pflegeleistungen zum Nachschlagen“ und „Ratgeber zur Pflege“.

Fragen zur gesetzlichen Pflegeversicherung können zudem am Bürgertelefon des BMG unter der Telefonnummer 030 340606602 gestellt werden.

Für eine telefonische Beratung und schnelle Hilfe für Angehörige von Pflegebedürftigen stellt das BMFSFJ von Montag bis Donnerstag zwischen 9.00 und 16.00 Uhr eine Telefonhotline (Rufnummer 030 20179131) zur Verfügung. Auch eine Anfrage an das BMFSFJ per E-Mail (info@wege-zur-pflege.de) ist möglich.

Bestehendes Kostenrisiko für Angehörige

Grundsätzlich ist die gesetzliche Pflegeversicherung nur eine Teilabsicherung, das heißt, sie trägt für die ambulante wie auch für die stationäre Pflege einen Teil der Kosten. Die restlichen Kosten, das können bis zu mehreren tausend Euro im Monat sein, muss der Pflegebedürftige und eventuell sein Ehepartner tragen.

Übrigens: Auch ein erwachsenes Kind oder die Eltern des Pflegebedürftigen können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz zur Übernahme der restlichen Pflegekosten verpflichtet sein, wenn deren Jahresbruttoeinkommen 100.000 Euro oder mehr beträgt.

Dies verdeutlicht, wie wichtig eine Kostenabsicherung durch eine private Pflegezusatzversicherung ist. Auch der Staat fördert eine Pflegetage- oder -monatsgeldversicherung mit einer Zulage von 60 Euro jährlich, sofern der Beitragseigenanteil des Versicherten mindestens zehn Euro monatlich beträgt, der vereinbarte Versicherungsumfang für alle Pflegegrade Leistungen vorsieht und ab Pflegegrad 5 mindestens 600 Euro im Monat an den Versicherten ausbezahlt werden.

Zu allen Fachfragen rund um die Pflegeversicherung ist die Fachabteilung KV der SDV AG gerne für Sie erreichbar:
Telefon: 0821 71008 300
E-Mail: kv@sdv.ag