Informationsreihe: Rund um die Gesundheit – die häufigsten Berufskrankheiten

Noch nie gab es so viele anerkannte Fälle, bei denen Beschäftigte an einer Berufskrankheit leiden, wie letztes Jahr. Während jedoch früher am häufigsten Schwerhörigkeit der Grund dafür war, zählen seit drei Jahren Infektionskrankheiten zu den anteiligen meisten Berufskrankheiten.

Über 370.000 Verdachtsfälle

Letztes Jahr wurden 370.141 Verdachtsfälle über das Bestehen einer Berufskrankheit bei Beschäftigten den Berufsgenossenschaften oder Unfallkassen als Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung gemeldet. Das sind fast 63 Prozent mehr als noch 2022. Gegenüber 2020 ist die Anzahl der Verdachtsfälle in 2022 sogar um fast das 3,5-Fache und im Vergleich zu 2019 um das 4,6-Fache gestiegen.

Allerdings hat nicht jeder Betroffene, der als Verdachtsfall gilt, einen Anspruch auf Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn nur wenn es sich tatsächlich um eine Berufskrankheit gemäß den gesetzlichen Vorgaben unter anderem nach § 9 SGB VII (7. Sozialgesetzbuch) handelt und der Betroffene gesetzlich unfallversichert ist, besteht ein Leistungsanspruch aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit.

Im Detail wurden im Jahr 2022 von den rund 326.290 Verdachtsfällen, die bereits entschieden wurden, nur 199.542 als Berufskrankheitsfälle anerkannt – und damit 61 Prozent mehr als 2021. Im Vergleich zu 2020 waren dies im Jahr 2022 5,4-mal und gegenüber 2019 sogar fast 11-mal so viele anerkannte Berufskrankheitsfälle.

Covid-19 ändert die Rangfolge der häufigsten Berufskrankheiten

Seit dem Jahr 2020 sind Infektionskrankheiten die häufigsten anerkannten Berufskrankheiten. 2020 entfielen 51 Prozent (18.969 Fälle), 2021 knapp 83 Prozent (102.348 Fälle) und 2022 sogar 91 Prozent (181.550 Fälle) aller im jeweiligen Jahr anerkannten Berufskrankheitsfälle auf diese Krankheitsart.

Zum Vergleich: In den Jahren 2010, 2015, 2018 und 2019 lag der Anteil der Infektionsleiden an allen Berufskrankheiten nur zwischen knapp 4 Prozent und 6 Prozent. In diesen Jahren wurden nur zwischen 579 und 1.123 anerkannte Berufskrankheiten durch Infektionen ausgelöst.

Die Ursache, dass Infektionskrankheiten auf dem ersten Rang der häufigsten Berufskrankheiten liegen, ist die Coronapandemie seit 2020. Allein letztes Jahr waren von allen 181.550 Infektionen, die als Berufskrankheit anerkannt wurden, über 99,7 Prozent – nämlich rund 180.920 Fälle – Covid-19-Infektionen. Und auch 2020 und 2021 wurden 98 beziehungsweise 99 Prozent der als Berufskrankheit anerkannten Infektionsleiden durch Covid-19-Infektionen ausgelöst.

Jedes Jahr bis zu 7.400 Fälle von berufsbedingter Lärmschwerhörigkeit

In den Jahren vor der Coronapandemie, also beispielsweise 2010, 2015, 2018 und 2019, lag die Lärmschwerhörigkeit mit zwischen 5.606 Fällen (2015) und 6.951 Fällen (2019) noch auf Platz 1. Im Jahr 2019 entfielen über 38 Prozent aller anerkannten Berufskrankheitsfälle noch auf diese Krankheitsart, 2018 waren es 34 Prozent und 2015 37 Prozent.

Zwar hat sich die Anzahl der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeitsfälle nur geringfügig verändert, doch aufgrund der hohen Anzahl der Infektionsfälle, die als Berufskrankheit anerkannt wurden, ist der Anteil der Hörschäden bei allen Berufskrankheitsfällen seit 2020 deutlich niedriger – und damit nun seit drei Jahren auf Rang 2 der häufigsten Berufskrankheiten.

So wurden 2020 noch knapp 20 Prozent, 2021 rund 6 Prozent und 2022 nur noch etwa 3 Prozent aller anerkannten Berufskrankheitsfälle durch Lärmschwerhörigkeit verursacht. Die Anzahl der Hörschäden lag jedoch auch hier zwischen 6.637 Fällen (2022) und 7.414 Fällen (2020).

Die dritthäufigste Berufskrankheit sind Hautkrankheiten inklusive Hautkrebs. Allein in den letzten fünf Jahren wurden jährlich zwischen 4.186 und 7.494 Fälle als Berufskrankheit anerkannt. Letztes Jahr waren es 5.732 Fälle. Der prozentuale Anteil an allen anerkannten Berufskrankheiten lag 2018 noch bei 24 Prozent und 2019 bei 23 Prozent. Aufgrund der hohen Anzahl an anerkannten Infektionsleiden verkleinerte sich der prozentuale Anteil der Hautkrankheiten in 2020 auf 12 Prozent, 2021 auf 6 Prozent und 2022 auf knapp 3 Prozent.

Bei den Verdachtsfällen waren Hautkrankheiten bis 2019 am häufigsten

Bei den Verdachtsfällen von Berufskrankheiten lagen bis einschließlich 2019 Hautkrankheiten auf dem ersten Platz der häufigsten gemeldeten Krankheiten. 2019 entfiel mehr als jeder dritte aller 80.123 gemeldeten Verdachtsfälle darauf, nämlich rund 27.800 Fälle. Auf Platz 2 waren die Lärmschwerhörigkeitsfälle mit knapp 18 Prozent und auf Rang 3 Bandscheibenerkrankungen mit rund 8 Prozent.

Seit 2020 hat sich auch hier die Rangfolge geändert. Von 2020 bis 2022 sind Infektionskrankheiten die Nummer 1 der gemeldeten Verdachtsfälle. Letztes Jahr waren es 294.480 Fälle und damit knapp 80 Prozent aller 370.141 in 2022 gemeldeten Verdachtsfälle. Auf Platz 2 waren hier die Hauterkrankungen mit insgesamt 22.048 Fällen und damit fast 6 Prozent aller Verdachtsfälle. Und den 3. Rang belegten 15.449 Fälle mit Lärmschwerhörigkeit, was 4 Prozent aller Verdachtsfälle entspricht.

Vergleicht man die Verdachtsfälle mit den anerkannten Berufskrankheitsfällen, verdeutlicht dies, dass bei Weitem nicht jeder Krankheitsfall auch als Berufskrankheit anerkannt wird. Dies ist jedoch die Voraussetzung dafür, dass ein Betroffener aufgrund seines Leidens Anspruch auf Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung hat.

Wann eine Krankheit als Berufskrankheit gilt

Wie bereits erwähnt, gelten Krankheiten nur als Berufskrankheiten, wenn sie den Vorgaben des § 9 SGB VII (7. Sozialgesetzbuch) entsprechen. Unter anderem heißt es hier: „Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden.“ Versicherte sind beispielsweise Arbeitnehmer, nicht dazu gehören jedoch viele Selbstständige.

Zudem wurde im genannten Paragrafen festgelegt: „Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.“

Die genannte Rechtsverordnung, die Berufskrankheiten-Verordnung, enthält als Anlage eine Berufskrankheitenliste, in der über 80 Krankheitsarten offiziell als Berufskrankheiten aufgelistet sind. Steht eine Krankheit nicht in der Berufskrankheitenliste, ist es möglich, diese „wie eine Berufskrankheit“ in einer Einzelfallprüfung anerkennen zu lassen.

„Dazu müssen allerdings neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorliegen, die belegen, dass für eine bestimmte Personengruppe arbeitsbedingt ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer bestimmten Gesundheitsstörung zu erkranken, besteht. Der bloße Zusammenhang einer Erkrankung mit einer beruflichen Tätigkeit reicht also allein nicht aus, um die Krankheit als Berufskrankheit anerkennen zu können“, betont die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV).

Was für Volkskrankheiten und Covid-19 gilt

Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe werden zahlreiche Volkskrankheiten wie Muskel- und Skelett- oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den wenigsten Fällen als Berufskrankheiten anerkannt. Dies gilt auch für zahlreiche Covid-19-Infektionen, da in beiden Fällen das Risiko zu erkranken auch außerhalb der beruflichen Tätigkeit hoch sein kann.

Laut DGUV werden Coronaerkrankungen als Berufskrankheit gemäß der Berufskrankheitenliste jedoch in der Regel für Personen anerkannt, „die infolge ihrer Tätigkeit im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert werden und deshalb an COVID-19 erkranken. Gleiches gilt für Personengruppen, die bei ihrer versicherten Tätigkeit der Infektionsgefahr in einem ähnlichen Maße besonders ausgesetzt waren“. Bei anderen Branchen ist üblicherweise eine Einzelfallprüfung erforderlich.

Übrigens: Obwohl die Anzahl der Verdachtsfälle und der anerkannten Berufskrankheiten deutlich gestiegen ist, ist die Zahl der gesetzlichen Unfallrenten infolge einer Berufskrankheit von 2021 auf 2022 um 8 Prozent auf 4.891 Renten gesunken. Nur wer als gesetzlich Unfallversicherter aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit unter einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent leidet, hat einen solchen Rentenanspruch.

Doch selbst wenn eine 100-prozentige Erwerbsunfähigkeit aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit vorliegt und man dementsprechend eine Vollrente von der gesetzlichen Unfallversicherung erhält, beträgt die Rentenhöhe maximal zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes, den der Betroffene vor Eintritt der Erwerbsminderung erhalten hat.

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