von Rechtsanwalt Oliver Timmermann, Kanzlei Michaelis Hamburg
Laut einer Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom haben 55 % der Deutschen bereits einmal eine Versicherung online abgeschlossen.
Bei den unter 30-Jährigen liegt der Anteil mit 65 % sogar noch höher. 43 % gaben an, sich schon einmal online über eine Versicherung informiert und diese dann auch online abgeschlossen zu haben. Jeder Vierte war schon einmal vor Ort bei einem Versicherungsmakler oder bei seiner Bank zur Beratung, um dann aber die Versicherung online abzuschließen. Insgesamt werden Versicherungen aber weiterhin mit 92 % am häufigsten vor Ort bei einem Versicherungsmakler oder bei einer Bank bzw. Sparkasse abgeschlossen. Allerdings informieren sich 55 % von ihnen zunächst über das Internet.
Das VVG hält nun keine Sonderregelungen für die internetbasierte bzw. -gestützte Versicherungsvermittlung parat. Für die Portale i. S. von § 1a Abs. 2 VVG finden die allgemeinen Regelungen des VVG (§§ 59 ff. VVG) Anwendung. Der Anbieter einer internetbasierten Versicherungsvermittlung unterliegt also den Vorgaben der Gewerbeordnung. Er bedarf daher einer Erlaubnis und unterliegt der Aufsicht der Industrie- und Handelskammer. Die mit dem IDD-Umsetzungsgesetz für Versicherungsvermittler geregelten ferner die Vorgaben zur Beratung, Dokumentation, Verbraucher-information und Weiterbildung in gleicher Weise, vgl. §§ 6 – 7d; §§ 59 ff. VVG. Jedoch entstehen bereits aus der Art des Mediums zahlreiche Besonderheiten, die sich dann auch in der rechtlichen Behandlung widerspiegeln müssen. Auf die wichtigsten soll im Folgenden eingegangen werden. Es wird auf die
- unterschiedlichen Erscheinungsformen des Online-Vertriebs von Versicherungsprodukten;
- besonderen Formerfordernisse bzgl. der Beratungs- und Informationspflichten und
- materiellen Anforderungen an Beratungs- und Informationspflichten hingewiesen.
1. Erscheinungsformen
a) Produktpräsentation
Einsatzfeld zur Präsentation von Ver-sicherungsprodukten haben insbesondere Websites, aber auch Apps als Informationsplattformen. So nutzen Versicherer wie auch sonstige Vermittler das Internet mittlerweile umfassend, um Produkte vorzustellen und zu bewerben.
Solche Produktpräsentationen werden in der Praxis als Mischformen des Vertriebs erfasst. Man unterscheidet bei diesen „ROPO“: „Research Online Purchase Offline“ und „Research Offline Purchase Online“. Also entweder Orientierung online und Abschluss konventionell oder Orientierung konventionell und Abschluss online.
Rechtlich bedeutsam sind diese Vorgehensweisen im Hinblick auf die Frage, ob ein Fernabsatzvertrag (vgl. § 312 c BGB) handelt, denn hier gelten einige Sonderregeln. So besteht etwa das Widerrufsrecht des Kunden bei bestimmten Versicherungsverträgen nur, wenn sie im Fernabsatz geschlossen wurden, vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 2, 3 VVG.
Grundsätzlich kann ein Versicherungsnehmer (VN) seine Vertragserklärung binnen 14 Tagen ohne Begründung und unabhängig vom Vertriebsweg widerrufen, vgl. § 8 Abs. 1 S. 1 VVG. Davon macht § 8 Abs. 3 Nr. 2 VVG eine Ausnahme für Verträge über vorläufige Deckung, falls es sich nicht um einen Fernabsatzvertrag i.S. von § 312 c BGB handelt. Ein solcher ist anzunehmen, wenn die Parteien sowohl für die Vertragsverhandlungen als auch den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel (vgl. § 312 c Abs. 2 BGB) verwenden. Die vorvertragliche Beratung gehört bereits zum Prozess der Vertragsverhandlungen i.S. von § 312 c Abs. 2 BGB.
Hier können wir eine Besonderheit des Versicherungsvertriebs erkennen: Das Vorvertragliche ist vorvertraglich in Bezug auf den Hauptvertrag, d. h. den Versicherungsvertrag. In Bezug auf die Vermittlerleistung ist es dagegen selbst die Hauptleistung, auf den die §§ 59 ff. VVG Vorgaben und Sorgfaltspflichten zur Anwendung kommen.
b) Vertragsschluss
Traditionell werden Versicherungen über Geschäftsstellen und Außendienstmitarbeiter von Versicherern, über Agenturen selbstständiger Versicherungsvertreter sowie über Maklerbüros vertrieben. Mittlerweile werden dem Kunden aber auch zunehmend, teilweise ausschließlich, Vertragsabschlüsse im Internet ermöglicht.
Das Internet ermöglicht einen raschen und wenig personalintensiven Vertrieb. Zudem kommt das Internet dem Bedürfnis entgegen, Verträge bequem von einem beliebigen Ort aus und zu jeder Uhrzeit abschließen zu können. Des Weiteren werden auch Kunden erreicht, die sonst kaum für eine traditionelle Vermittlerkonsultation offen wären. Die Kehrseite – und Verbraucherschutz ist der zentrale Schutzzweck u. a. der IDD – ist freilich, dass der Kunde womöglich weniger hinsichtlich seines individuellen Bedarfes beraten wird. Online-Beratung setzt auf Mustererkennung, die wiederum geht von Wahrscheinlichkeiten aus, was ein anderes Herangehen als im persönlichen Gespräch bedeutet.
Eine Vorreiterrolle beim Online-Abschluss haben sicher die Versicherungsmakler eingenommen. Das spricht für die Innovationsfreudigkeit der Branche, zieht aber (zumindest eins) Folgeproblem nach sich: Ein Versicherungsmakler handelt im Auftrag seines Kunden, dieser will sich auf seine fachliche Expertise verlassen können. Als Hauptleistungspflicht übernimmt er es deshalb, die am Markt verfügbaren Angebote zu ermitteln, zu analysieren und im Hinblick auf seinen individuellen Bedarf zu bewerten.
Umstritten war, ob der Internetvertrieb die Pflichten – insbes. Die Beratungs- und Dokumentationspflichten – eines Versicherungsvermittlers reduziert bzw. mindern darf. Der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung. lässt bislang keine diesbezüglichen Erleichterungen für den Vertrieb erkennen. Das LG München I hat in seiner erstinstanzlichen Entscheidung im Verfahren gegen Check24 bekanntlich keine Erleichterungen zugelassen. Auch Versicherungsvermittler, die einen digitalen Vertriebsweg nutzen, müssen die bestehenden rechtlichen Vorgaben für Versicherungsvermittler beachten. Empfiehlt ein Internetportal lediglich allgemein einen oder mehrere Versicherer und ist erst auf den dortigen Webseiten eine konkretisierte Anfrage möglich, dürfte eine Tippgebertätigkeit vorliegen.
Darüber hinausgehende Leistungen, die noch nicht die konkretisierende und auf einen Vertragsabschluss gerichtete Funktion eines eindeutigen Vermittlers aufweisen, aber mehr sind als die einfache Nennung des Produktgebers, bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone. So könnte ein Anbieter in diesen Fällen als Anscheinsmakler handeln, vgl. § 34d Abs. 1 S. 3 GewO.
Auch der BGH stufte das Verhalten von Tchibo bekanntlich als Tätigkeit eines Versicherungsmaklers ein. Die Abgrenzung der Versicherungsvermittlung von einer Tätigkeit, die ausschließlich darauf gerichtet ist, Kontakte zwischen einem potenziellen VN und einem Versicherungsvermittler herzustellen, richtet sich nach dem objektiven Erscheinungsbild der ausgeübten Tätigkeit. Dabei ist es unerheblich, dass Tchibo angab, die Verträge würden durch einen Dritten vermittelt; dies schließt nämlich eine Vermittlungstätigkeit im Rahmen eines mehrstufigen Vermittlungsverhältnisses nicht aus.
2. Formvorgaben
a) Grundregeln
Beim Abschluss von Versicherungsverträgen schreibt der Gesetzgeber vielfach vor, dass bestimmte Unterlagen und Erklärungen dem Versicherungsnehmer in Textform zu übermitteln sind. Besonders bedeutsam ist das Textformerfordernis für die Übermittlung der produktbezogenen Informationen gem. § 7 Abs. 1 VVG an den VN. Zu diesen Informationen zählt eine Vielzahl von Angaben, insbesondere die nach der VVG-Informationspflichtenverordnung (VVG-InfoV) zu erteilenden Informationen einschließlich des Produktinformationsblatts (§ 4 VVG-InfoV) sowie die für den Vertrag maßgeblichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB).
Die Textform ist nunmehr auch für einen Verzicht auf Beratung gem. §§ 6 Abs. 3, S. 2, 61 Abs. 2, S. 2 VVG im Fernabsatz vorgeschrieben; zuvor galt dafür das strengere Schriftformerfordernis. Auch für die Stellung der sog. Antragsfragen gem. § 19 VVG, mit deren Hilfe der Versicherer die für die Prämienkalkulation bedeutsamen Risikofaktoren erfragt, bedarf es der Textform.
Des Weiteren ist der Versicherungsschein dem VN in Textform zu übermitteln, und nur auf sein Verlangen hin als Urkunde, vgl. § 3 VVG. Auch die Widerrufserklärung des Versicherungsnehmers nach § 8 Abs. 1, S. 2 VVG ist – anders als beim allgemeinen Verbraucherwiderrufsrecht (§ 355 BGB) – an die Textform geknüpft. Nicht zuletzt haben Versicherungsvermittler dem Versicherungsnehmer die sog. statusbezogenen Informationen in Textform mitzuteilen, vgl. § 11VersVermV. Die durch Gesetz vorgeschriebene Textform erfordert nach der Legaldefinition in § 126 b S. 1 BGB eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger. Beim Online-Vertragsschluss lassen sich diese Anforderungen insbesondere durch folgende Datenträger erfüllen: E-Mail-Dateianhang, USB-Stick und CD-ROM. Was die Mitteilung per E-Mail-Dateianhang angeht, so gibt der Vertragsinteressent mit der Angabe einer E-Mail-Anschrift dem Vertreiber hinreichend deutlich zu erkennen, dass er mit der Übermittlung von Informationen auf diesem Kommunikationsweg einverstanden ist.
b) Fortgeschrittene Website
Mit dem Begriff der sog. Sophisticated Website (fortgeschrittene Website) werden zwei verschiedene Fälle zusammengefasst, nämlich der Zwangs-Download und der geschützte Speicherbereich. Unter einem Zwangs-Download versteht man die technische Gestaltung, dass der VN den Vertragsschlussvorgang (genauer: den Vorgang zur Abgabe seiner Vertragserklärung, typischerweise des Antrags) erst fortsetzen kann, wenn er die Datei mit den Informationen auf ein eigenes Speichermedium wie etwa die Festplatte seines Computers heruntergeladen hat. Der BGH hat in nicht-versicherungsrechtlichem Zusammenhang entschieden, dass ein solcher Zwangs-Download den Anforderungen an eine Mitteilung in Textform genügt. Diese Beurteilung kann auf Versicherungsverträge übertragen werden.
Nicht ausreichend ist aber das bloße Setzen eines Häkchens, um dem Schein nach zu bestätigen, Unterlagen heruntergeladen zu haben. Der Gesetzgeber wollte mit dem Mitteilungserfordernis erreichen, dass die Informationen tatsächlich in den Machtbereich des Empfängers gelangen. Erst wenn dies der Fall ist, liegt es außerhalb des Verantwortungsbereichs des Mitteilungsverpflichteten, wie der Kunde sodann mit den Informationen verfährt.
Schwierigere Fragen stellen sich hinsichtlich der zweiten Variante einer Sophisticated Website, nämlich dem geschützten Speicherbereich. Von einem solchen spricht man, wenn dem Kunden auf dem Server des zur Informationsmitteilung Verpflichteten ein eigener passwortgeschützter Bereich eingeräumt wird. Der EuGH hat dazu in einer Entscheidung zur Auslegung der Zahlungsdienste-RL 2007 folgende Anforderungen aufgestellt:
Das Textformerfordernis ist erfüllt, wenn die Website es dem Benutzer ermöglicht, die Informationen derart zu speichern, dass er sie für eine angemessene Zeit einsehen kann und ihm die unveränderte Wiedergabe möglich ist, ohne dass der Inhalt durch den Zahlungsdienstleister oder einen Administrator einseitig geändert werden kann. Zudem muss der Kunde benachrichtigt werden, wenn neue Informationen in den geschützten Bereich eingestellt werden. Diese Kriterien lassen sich wiederum auf den Abschluss von Versicherungsverträgen übertragen.
Problematisch ist bei einem geschützten Speicherbereich insbesondere die Frage, auf welche Weise der Mitteilungsverpflichtete technisch sicherstellen muss, dass die Informationen nicht nachträglich durch ihn oder einen Administrator verändert werden können. Es kommt in Betracht, dass die hinterlegten Informationen einer Zugriffsmöglichkeit des Verpflichteten dauerhaft völlig entzogen sein müssen. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass ein externer, keinen diesbezüglichen Weisungen unterliegender Dienstleister eingeschaltet wird oder dass die Daten auf einem externen Server hinterlegt werden.
c) Aufbewahrung
Eine weitere offene Frage ist, wie lange die Informationen auch noch nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses vorgehalten werden müssen. Die Antwort hängt davon ab, für welche Zwecke der Versicherungsnehmer die Informationen möglicherweise noch benötigen wird. Dies wiederum richtet sich nach der Art der jeweiligen Information. So wird hinsichtlich der Beratungsdokumentation i.S. von § 6a Abs. 2 VVG auf den Eintritt der Regelverjährung (§§ 214 Abs. 1, 195, 199 BGB) für mögliche Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung (§ 6 Abs. 5 VVG) abzustellen sein. Geht es um die Vertragsinformationen i.S. von § 7 VVG, so kann der Ver-sicherungsnehmer dann, wenn diese ihm unvollständig übermittelt worden sind, unter Umständen noch viele Jahre nach Vertragsbeendigung das Widerrufsrecht nach § 8 VVG geltend machen.
Der Ausübung dieses sog. „ewigen Widerrufsrechts“, das anders als beim allgemeinen Verbraucherwiderrufsrecht mangels entsprechender Richtlinienvorgabe nicht abgeschafft wurde, sind lediglich unter den strengen Voraussetzungen der Verwirkung gem. § 242 BGB gewisse zeitlichen Grenzen gesetzt.
d) Mögliche Fehler / Übermittlungsrisiko
Aus dem Gesagten folgt zugleich, dass es für eine Mitteilung in Textform nicht ausreicht, wenn die Informationen lediglich auf einer einfachen Website (ordinary website) abrufbar sind. In diesem Fall ist es dem Kunden nämlich nicht möglich, die Erklärung dauerhaft zu speichern, so wie § 126 b S. 2 BGB dies verlangt. Dabei ist es unerheblich, ob die Informationen erst über einen Link oder Button erreichbar oder aber unmittelbar auf der Website einsehbar sind. Wie aufgezeigt, genügt auch ein lediglich optionaler Download nicht für die geschuldete Übermittlung. Insoweit rechtfertigt auch eine vom VN verlangte Bestätigung, dass er die Informationen gespeichert und / oder ausgedruckt habe, keine abweichende Beurteilung.
Wie stets, wenn es um die Übermittlung eines Dokuments geht, stellt sich auch bei der Mitteilung von vertragsbezogenen Informationen in Textform die Frage, wer das Risiko einer nicht erfolgreichen Übermittlung zu tragen hat. Die in Betracht kommenden Fälle sind vielgestaltiger als bei der analogen (etwa auf dem Postweg erfolgenden) Übermittlung, etwa Fehlermeldung bei E-Mail, zu geringe Speicherkapazität etc. Zudem kann die Datenübermittlung nach Beginn des Herunterladens durch Unterbrechung einer WLAN-Verbindung, ein „Abstürzen“ oder eine Abschaltung des Computers gestört werden. Bei einer Übermittlung per E-Mail-Dateianhang kann es auch vorkommen, dass das
E-Mail-Postfach des Versicherungsnehmers generell (wegen Ausschöpfung der verfügbaren Speicherkapazität) nicht aufnahmebereit ist. Bei beiden Übermittlungswegen kann zudem ein vom VN installiertes Schutzprogramm (insbes. Firewall, Virenscanner oder Spam-Filter) das Herunterladen oder das Öffnen der Datei verhindern.
Für die Zuweisung des Übermittlungsrisikos ist es hilfreich, sich auf die Grundregeln zu besinnen, die Gesetzgeber und Rechtsprechung für den Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen auf konventionellen (analogen) Übermittlungswegen entwickelt haben. Nach diesen Regeln richtet sich die Verteilung des Übermittlungsrisikos grundsätzlich danach, wessen Sphäre das Hindernis zuzuordnen ist. So hat es z.B. der Adressat zu vertreten, wenn sein Hausbriefkasten unzureichend vor einem Zugriff Dritter gesichert ist und die schon in seine Sphäre gelangte Erklärung durch einen solchen Zugriff abhandenkommt (sog. Sphärentheorie).
Diese Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen lässt sich auch auf die Online-Übermittlung von Informationen übertragen. Demnach kommt es für die Entscheidung, wer das sog. Übermittlungsrisiko trägt, darauf an, in wessen Sphäre das Hindernis aufgetreten ist. So liegt es grundsätzlich in der Verantwortung des VN dafür zu sorgen, dass die von ihm genutzten Speichermedien (Festplatte, USB-Stick usw.) eine hinreichend große Kapazität aufweisen und dass sein E-Mail-Postfach zum Empfang weiterer Nachrichten bereit ist. Auch ein Datenverlust infolge einer Unterbrechung der WLAN-Verbindung ist seiner Sphäre zuzurechnen.
Demgegenüber obliegt es dem Zusendenden sicherzustellen, dass die von ihm zur Übermittlung vorgesehenen Dateien keinen ungewöhnlich großen Umfang aufweisen. Hinsichtlich der Frage, wann diese Grenze überschritten ist, kann man sich an den üblichen Limits von verbreitet genutzten E-Mail-Diensten orientieren. Was die Lesbarkeit angeht, so ist der Versicherer gehalten, keine Komprimierungsprogramme oder sonstige Dateiformate einzusetzen, die nicht allgemein verbreitet und auch nicht leicht und unentgeltlich im Internet erhältlich sind.
e) Beweislast bzgl. der Übermittlung
Die Frage nach der Beweislast bzgl. der Unterlagen-Übermittlung ist hinsichtlich der nach § 7 Abs. 1 VVG mitzuteilenden Informationen deshalb besonders bedeutsam, weil von dieser gem. § 8 Abs. 2 VVG der Beginn der Widerrufsfrist abhängt. Die Grundregel lautet, dass der Vertreiber von Versicherungsprodukten die Beweislast für die ordnungsgemäße Übermittlung trägt. In der Praxis kann diese Beweislastverteilung den Vertreiber durchaus vor Probleme stellen. Sie sind freilich im Online-Vertrieb einfacher zu bewältigen als bei einer postalischen Versendung der Unterlagen. So kann der Zugangsnachweis etwa dadurch erreicht werden, dass der Vertreiber in einer die Informationen enthaltenden E-Mail eine Eingangsbestätigung erbittet und der Kunde dieser Bitte nachkommt. Allerdings ist nicht gesichert, dass Letzteres auch tatsächlich geschieht. In Betracht kommt stattdessen, zum Beweis des Zugangs ein sog. log file (Protokolldatei) vorzulegen. Erfolgt die Übermittlung mittels eines Zwangs-Downloads, so genügt der Nachweis, dass der zum Vertragsschluss führende Vorgang auf Grund der Programmierung stets erst dann fortgesetzt werden kann, wenn der Download der Informationen erfolgt ist.
Generell wird angenommen, dass Übermittlungs-, Eingangs- oder Lesebestätigungen, die vom Server des Ver-sicherungsnehmers erstellt und an den Vertreiber gesandt werden, zumindest als Grundlage eines Anscheinsbeweises dienen können. Demgegenüber ist eine vom Vertreiber vorformulierte Zugangsbestätigung als Beweismittel untauglich. Solche Bestätigungsklauseln sind nämlich, jedenfalls wenn sie gegenüber einem Verbraucher eingesetzt werden, nach § 309 Nr. 12 lit. b) BGB unwirksam.
3. Bedarfsgerechte Beratung
a) Grundregeln
Versicherungsvermittler haben wegen ihrer Sachkunde in Bezug auf die angebotenen Versicherungsprodukte den VN vor dem Vertragsschluss anhand einer Bedarfsanalye darüber zu beraten, welches Versicherungsprodukt am besten geeignet ist, vgl. §§ 6, 61 VVG. Durch die vorgeschriebene Beratung soll der Kunde in die Lage versetzt werden, eine eigenverantwortliche Entscheidung über den seinem individuellen Bedarf gerecht werdenden Versicherungsschutz zu treffen. Dies setzt nicht allein umfassende und zutreffende Informationen voraus, sondern auch die Erteilung eines am Bedarf des Kunden orientierten Rats im Sinne einer konkreten Handlungsempfehlung.
Von Bedeutung ist dies etwa dann, wenn ein für den VN wichtiges Teilrisiko (z. B. Haftung gegenüber Dritten bei gefährlichen Sportarten) von dem in Rede stehenden Versicherungsprodukt nicht umfasst ist. Umgekehrt kann es aber auch sein, dass ein solches Risiko zwar eingeschlossen ist, der Kunde aber insoweit wegen einer bereits anderweitig bestehenden Versicherung keinen Bedarf hat.
Der Gesetzgeber hat für die Beratungspflicht im Wesentlichen drei Pflichten aufgestellt:
- Fragepflicht, die der Ermittlung des Bedarfs dienen soll; hierfür kann regelmäßig ein standardisierter Fragenkatalog eingesetzt werden, der ggf. um individuelle Fragen zu ergänzen ist;
- eigentliche Beratungspflicht und
- Raterteilung nebst Begründung des erteilten Rats.
Zudem besteht eine Dokumentationspflicht, die es dem Kunden ermöglichen soll, die Beratung nachzuvollziehen und ggf. später Beratungsfehler geltend zu machen. Dafür wird in der Praxis oft ein Beratungsprotokoll eingesetzt. Die Anforderungen an die Dokumentation sind mit Wirkung seit 23.2.2018 in den §§ 6 a, 59 Abs. 1 VVG neu gestaltet worden; dabei gestattet der Gesetzgeber nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich auch den Einsatz einer sog. Sophisticated Website.
Die Intensität der Beratung richtet sich insbesondere danach, wie einfach oder komplex das Produkt ist. So wird sich bei standardisierten Massenprodukten wie einer Reisegepäckversicherung typischerweise allenfalls ein geringer Beratungsbedarf ergeben, während etwa eine Kapitallebensversicherung bereits eine genaue Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Kunden erfordert und insgesamt einen deutlich höheren Beratungsaufwand auslöst.
b) Technische Umsetzung
Noch im Jahr 2007 hat der deutsche Gesetzgeber die Ansicht vertreten, dass die nach dem Gesetz geschuldete bedarfsgerechte Beratung im Online-Vertrieb gar nicht durchführbar sei. Wörtlich heißt es, dass „bei ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, wie dies in erster Linie bei Direktversicherern der Fall ist, diese Pflicht praktisch nicht erfüllt werden kann“. Diese Einschätzung, von der sich der Gesetzgeber inzwischen gelöst hat, muss inzwischen als überholt gelten. Vielmehr lässt sich das, was beim konventionellen Versicherungsvertrieb im persönlichen Gespräch abgefragt und worüber beraten wird, umfassend auch digital umsetzen. Für die technische Umsetzung der Beratung im Online-Vertrieb stehen vielgestaltige und effektive Tools zur Verfügung. Diese Instrumente ermöglichen es bei richtiger Programmierung, Fehler und Auslassungen zu vermeiden. Sie vermögen damit sogar zu einer Steigerung der Beratungsqualität beizutragen, auch wenn nicht verkannt werden darf, dass ein direkter persönlicher Kontakt für manche Kundenkreise zumindest bei komplexeren Produkten (vgl. § 61 VVG) vorzugswürdig ist.
Für den Einstieg in die digitale Beratung können etwa sog. Drop-down-Menüs eingesetzt werden. Mit ihnen nähert sich der Kunde schrittweise demjenigen Versicherungsprodukt, für das er sich interessiert. Während des gesamten elektronischen Beratungsprozesses kann der Kunde in vielfältiger Weise unterstützt werden, etwa durch anzuklickende Icons, automatisch auf dem Bildschirm erscheinende Pop-up-Fenster oder eine übergeordnete Hilfe-Funktion mit Stichwortsuche. Darüber hinaus kommen auch individuelle digitale Kontaktaufnahmen, etwa in Gestalt eines Live-Chats oder einer Video-Kommunikation, in Betracht. Der Einsatz von Skype–artigen Instrumenten ermöglicht ein Gespräch mit einer Person; dies kann – abgesehen von der räumlichen Distanz – einem Vertrieb auf konventio-nellem Wege qualitativ sehr nahekommen. Ein Telefongespräch außerhalb solcher in den digitalen Auftritt inte–grierter Techniken kommt gleichfalls in Betracht, würde allerdings einen Medien-bruch bedeuten.
c) Beratungsverzicht
Niemand muss zwangsweise eine Beratung über sich ergehen lassen. Daher ist ein Beratungsverzicht möglich, vgl. §§ 6 Abs. 3, 61 Abs. 2 VVG. In der ursprünglichen Fassung der VVG-Reform von 2007 war dafür generell die Schriftform vorgesehen. Da diese eine eigenhändige Unterschrift erfordert (vgl. § 126 BGB), erzwang das Formerfordernis im Online-Vertrieb einen Medienbruch. Seit dem 23.02.2018 genügt im Fernabsatz deshalb eine gesonderte Erklärung in Textform, vgl. §§ 6 Abs. 3, S. 2, 61 Abs. 2, S. 2 VVG. Mithin können diejenigen digitalen Instrumente genutzt werden, die auch für die Übermittlung von Informationen in Textform verfügbar sind. Der Beratungsverzicht führt dazu, dass der Versicherungsnehmer keine Ansprüche nach §§ 6 Abs. 5, 63 VVG wegen unterbliebener oder fehlerhafter Beratung erheben kann. Daher muss der Kunde vor dem Verzicht auf diesen Nachteil ausdrücklich hingewiesen werden, vgl. §§ 6 Abs. 3, S. 1, 61 Abs. 2, S. 1 VVG.
4. Zusammenfassung / wesentliche Ergebnisse
- Der Abschluss von Vers.-Verträgen über das Internet ist mittlerweile in vielen Sparten möglich. Er bietet die Chance, Kunden zur Vorsorge zu motivieren, die auf den klassischen Vertriebswegen nicht oder nur schwer erreichbar sind. Darin liegt angesichts der Bedeutung individuellen Versicherungsschutzes auch ein gesamtgesellschaftlicher Nutzen;
- das Hauptproblem der digitalen Vermittlung von Versicherungsverträgen besteht in der Beratung des potentiellen VN. Da ein persönliches Kundengespräch meist nur ausnahmsweise – in Gestalt einer Option – stattfindet, ist diese Form der Vermittlung von Versicherungsverträgen aus Verbrauchersicht zwar problematisch, doch man muss davon ausgehen, dass der Kunde bei der Wahl dieses Vertriebskanals regelmäßig keine Beratung i.S. der persönlichen Empfehlung erwartet. Der Versicherer wird deshalb sogar durch § 6 Abs. 6 VVG im Fernabsatzgeschäft von seiner Beratungspflicht nach § 6 Abs.1, 4 VVG befreit. Für Vermittler fehlt eine entsprechende Regelung im § 61 VVG;
- der Einsatz moderner Techniken bietet mittlerweile auch beim Vertragsschluss über das Internet grundsätzlich ausreichende Möglichkeiten, um den Anforderungen an die Beratungspflicht des Versicherers und des Vermittlers (§§ 6, 60, 61 VVG) gerecht zu werden. Hierzu zählen insbes. Pop-up-Fenster, Fragetools, Instant-Chat-Funktionen sowie Telefon-Hotlines;
- Versicherer und Vermittler haben die gesetzlich gebotenen Informationen (vgl. § 7 Abs. 1 VVG i.V.m. §§ 1 ff. VVG-InfoV, § 11 VersVermV) in Textform zu erteilen. Es muss sichergestellt sein, dass die Informationen dem Kunden auf einem dauerhaften Datenträger verfügbar werden, sei es als E-Mail-Anhang, Zwangs-Download oder mittels einer sog. sophisticated website (persönliches digitales Archiv). Eine derartige Übermittlung bewirkt regelmäßig zugleich, dass die AGB-rechtlichen Einbeziehungsvoraussetzungen für AVB (§ 305 Abs. 2 BGB) erfüllt sind. Eine reine Download-Option genügt für den Zugang nicht; vorformulierte Zugangsbestätigungen sind unwirksam;
- Online-Makler müssen statusbezogene Informationspflichten bereits beim ersten geschäftlichen Kontakt in Textform erfüllen. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn die Informationen lediglich im Rahmen des Impressums aufgeführt werden;
- die zur Vertragsdurchführung erforderliche Datenverarbeitung ist grundsätzlich auch ohne Einwilligung zulässig. Erhöhte Anforderungen bestehen allerdings, wenn personenbezogene Gesundheitsdaten online übermittelt werden. Eine datenschutzrechtliche Einwilligung bedarf grundsätzlich der Schriftform.