Wir haben Stephan Michaelis ausführlich zum Thema Ruhestandsplanung und Generationenberatung befragt. Lesen Sie hier seine Antworten.
Das Thema Erben und Schenken gehört genauso zu einer umfassenden Ruhestandsplanung wie auch die finanzielle Absicherung im Alter. Worauf es bei der Berücksichtigung der gesetzlichen Erben und eventueller Steuerforderungen ankommt, verrät der Hamburger Rechtsanwalt Stephan Michaelis von der gleichnamigen Kanzlei im Interview.
Wo gibt es die häufigsten Missverständnisse, wenn es um die gesetzliche Erbfolge geht?
Weit verbreitet ist die Fehlvorstellung, dass der überlebende Ehepartner nach der gesetzlichen Erbfolge allein alles erbt, wenn keine Kinder vorhanden sind. Doch der überlebende Ehegatte ist in diesen Fällen nach Paragraf 1931 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) neben den Verwandten zweiter Ordnung nur zur Hälfte als gesetzlicher Erbe berufen. Haben die Eheleute in einem notariellen Ehevertrag Gütertrennung oder Gütergemeinschaft vereinbart, ist der Erbanteil des überlebenden Ehegatten sogar regelmäßig auf den Pflichtteil, also nur auf ein Viertel des Erbes, begrenzt.
Vor allem die Steuer dürfte ein wichtiges Thema beim Erben sein. Wie hoch sind aktuell die Freibeträge?
Bei Erbschaften entsteht die Steuerschuld am Todestag des Erblassers, bei Schenkungen am Tag der Schenkung. Freibeträge bestehen nach Paragraf 16 Erbschaftssteuergesetz für Ehegatten und Lebenspartner in Höhe von 500.000 Euro. Für Kinder und Enkelkinder, deren Eltern verstorben sind, sowie für Stief- und Adoptivkinder in Höhe von 400.000 Euro, für Enkelkinder in Höhe von 200.000 Euro, für Urenkel, Eltern und Großeltern im Falle der Erbschaft in Höhe von 100.000 und für alle anderen Empfänger einer Schenkung oder Erbschaft 20.000 Euro. Diese Freibeträge sollten gut ausgeschöpft und eine passende Rechtsgestaltung hinsichtlich der Steuer zwingend vorgenommen werden.
Immer mehr Paare leben ohne Trauschein zusammen. Wo bestehen im Erbfall die größten Unterschiede zwischen einer ehelichen und nicht ehelichen Lebensgemeinschaft?
Ob Paare verheiratet sind oder nicht, ist zumindest für deren Kinder seit der Gleichstellung von ehelichen und nicht ehelichen Kindern am 1. April 1998 zum Glück nicht mehr entscheidend. Der Freibetrag beträgt hier so oder so 400.000 Euro für die Kinder. Während verheiratete Paare untereinander ein gesetzliches Erbrecht sowie einen Freibetrag in Höhe von einer halben Million Euro in Anspruch nehmen können, erben Paare ohne Trauschein nach den gesetzlichen Regelungen zunächst nichts und müssen schenkweise oder im Rahmen eines Einzeltestamentes, eines Erbvertrages oder als Vermächtnis über 20.000 Euro hinaus erhaltene Zuwendungen voll versteuern. Dies macht einen erheblichen Unterschied aus.
Gibt es für die Patientenverfügung und die Vorsorgevollmacht ebenfalls einen Unterschied, ob es sich um eine Ehe handelt oder eine eheähnliche Gemeinschaft?
Nein, da Ehepartner keine gegenseitigen gesetzlichen Vertreter sind. Es macht keinen Unterschied, ob ein Ehepartner oder ein nicht ehelicher Lebenspartner durch eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht als Bevollmächtigter zur Wahrnehmung der Interessen als Betreuter oder Durchsetzung der Wünsche des Patienten benannt wird. Kann der Vorsorgebevollmächtigte die Aufgaben eines Betreuers wahrnehmen, wird das Amtsgericht diesen ohne Anhörung und ärztliches oder psychiatrisches Gutachten zum Betreuer bestellen.
Worauf kommt es inhaltlich sowohl bei Vermögensübertragung als auch bei den Vollmachten insbesondere an?
Auf diese Frage gibt es keine allgemeingültige Antwort. Sind keine Erben vorhanden oder soll der nicht angetraute Lebenspartner abgesichert werden, bietet sich der Abschluss eines nach den individuellen Bedürfnissen zugeschnittenen Testaments oder eines gegenseitigen Erbvertrags an. Für Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen werden zahlreiche Musterformulare angeboten, die grundsätzlich alle wesentlichen regelungsbedürftigen Punkte abdecken. Allerdings: Jede Regelung sollte mit dem Lebensentwurf des Vollmachtgebers betrachtet und gegebenenfalls individuelle Bestimmungen aufgenommen werden. Auch bei diesen Vertragsgestaltungen, mit oft weitreichenden Konsequenzen, ist es sinnvoll, sich rechtlich beraten zu lassen. Ein Muster haben wir auf app-riori.de für Versicherungsmakler hinterlegt.